Kuhmo – Finnland, 15. Juli 2004
Iltaa, oder guten Abend aus Karelien!
Nach 11 Monaten Reiseabstinenz bin ich nun
seit Samstag wieder 'on the road' und dies im wortwörtlichen Sinne. Um den
angefutterten Chips- und Gerstensaft-Vorrat, den ich während der Fußball
EM angesammelt habe wieder hinunter zu bekommen, rolle ich nun per Bike
durch das Land der 188.788 Seen.
Ihr habt es erraten ich bin in Finnland
unterwegs - ein Land das sich nicht zur EM qualifiziert hat, und deshalb
muss ich mich für das deutsche Abschneiden hier auch nicht
rechtfertigen - außerdem klebt auch nur ein 05er Aufkleber auf meinen
Taschen und keine Deutschlandfahne.
Da ja aller Anfang schwer ist, war der Beginn der Tour alles andere als
schön. Im Landeanflug mit dem Finnair Airbus A320 konnte ich dank der
Videokamera, die am Fahrwerk angebracht war, erst im letzten Moment die
hell erleuchtete Landebahn erkennen, denn es regnete und es war neblig.
Willkommen in Finnland! Wenigstens hat den Flug mein Fahrrad gut
überstanden, und schon stand ich aber vor dem nächsten Problem: Wie komme
ich auf die rund 20 km entfernte Landstrasse, denn um den Flughafen
gab es nur Autobahnen und Schnellstrassen. Das Fahren auf letzteren war
ziemlich ätzend, denn diese waren z. T. 8-spurig ausgebaut, und ich wurde
oftmals angehupt. Der Regen hörte wenigstens auf und plötzlich gab es
endlich einen Fahrradweg neben der Strasse. Mittlerweile kann ich sagen,
dass Finnland ein Radlerparadies ist, was Radwege anbetrifft. Diese sind
meist in gutem Zustand und von der Strasse getrennt. Außerdem sind sie
breit genug, um zu überholen. So hat jedes noch so kleine Kaff im Süden
einen wunderbares Radwegenetz. Zum Überqueren der Strassen sind
Unterführungen für Radler angelegt, so dass man auf den Wegen
tatsächlich schneller als auf der Strasse vorankommt.
Da ich erst um vier Uhr nachmittags in Helsinki loskam und noch fast 150
km Tagesdistanz vor mir hatte, war ich natürlich über die nördlich Lage
meines Gastlands sehr angetan: Sogar im Süden ist es z. Zt. um
Mitternacht noch hell und tatsächlich fuhr ich am ersten Tag bis 23 Uhr
ohne Probleme ohne Licht durch die Gegend. Wer denkt Finnland ist ein
plattes Land hat recht. Doch leider ist jeder der 188.788 Seen auf einem
anderen Höhenniveau entstanden, so dass das Fahren von See zu See alles
andere als easy going ist: Die kleinen Landstrassen erinnern eher an
Achterbahnen, denn urplötzlich geht es einfach einmal für 150 m rund 15%
steil berg an, ehe es dann sofort wieder 100 m 15% runter geht. Dieses
Berg- und Tal-Fahren macht aber riesig Spaß, denn ich kann ja gleich immer
Anlauf für den nächsten Hügel nehmen. Mit der Zeit erkenne ich auch die
kleinen Fallen auf der Strasse wie Querrinnen oder Schlaglöcher, die es
ab und zu gibt und so bereitet das Fahren bisher relativ wenig Probleme.
Wer Wald mag, wir Finnland lieben. Seit 6 Tagen fahre ich nun
hauptsächlich durch Wald. Mal Birke, mal Kiefer mal beides mal anderes
aber immer Wald. Die ersten 2 Tage war es wie eine Fahrt durch einen
grünen Tunnel, dann kamen im Landschaftsbild alle 100 Meter ein See dazu
und seit gestern dann auch die ersten richtig hohen Hügel, von denen sich
herrliche Blicke auf die Seenplatte ergeben. Fuhr ich an den ersten beiden
Tagen noch relativ viele Hauptstrassen, die sehr stark befahren waren, und
hauptsächlich von russischen Lkws und finnischen Holzlastern bevölkert
waren, die aber mit ihrem Sog mich immer superschnell werden ließen und
mir eigentlich gar nicht unsympathisch waren, geht es seit dem 3. Tag fast
nur noch auf kleineren Strassen entlang und ich habe die Natur für
mich alleine. Die Käffer werden mit der Fahrt durch Karelien immer
spärlicher.
Heute fuhr ich 75 km auf der Strasse ohne Kaff. Das ist zwar
ganz nett, aber dafür schleppe ich auch kiloweise Pasta, A-Saft,
Banänchen etc. durch die Gegend. Wenn ich von Karelien erzähle, dann vom
heutigen finnischen Teil, denn die andere Hälfte gehört zu Russland und
diese Situation ist bezeichnend für das ganze Land.
Erst war Finnland eine schwedische Kolonie, dann wurde es russisch. Erst
als Lenin die Oktoberrevolution durchzog, konnte sich Finnland 1917
selbständig machen und paktierte gleich mal wieder mit den Falschen: Den
Nazis! Als die rote Armee Finnland besetzte, gab sie Ostfinnland, also
Karelien nur zum Teil zurück und Finnland durfte nicht der NATO oder der
EU beitreten. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion kam es doch noch zur EU-Mitgliedschaft, und das Land ist nun sogar Gründungsmitglied der Euro-Zone, was
natürlich ganz praktisch ist! Wer finnische Euro-Münzen möchte, schickt
mir am besten 'ne SMS!
SMSen ist hier wesentlich einfach als mailen. Alle 30 km haben die Finnen
alias NOKIA-Land einen Mast errichtet, so dass ich sogar in der
ostfinnischen Pampa an der russischen Grenze noch Empfang habe. Die Masten
lohnen sich aber auch für die Finnen, denn 94% aller Hauhalte besitzen
ein Handy und wenn's in die Mökki (Ferienhaus) geht, dann hat man(n) immer
noch Empfang - echt praktisch. Ein weiteres Klischee stimmt auch:
Sauna...gibt's auch überall und wird gerne gemacht - genauso wie
Autofahren und Formel 1 gucken. Es war schon ein gesellschaftliches
Erlebnis in der Shell-Tanke einen Regen abzuwarten und neben lauter
kleinen Kimmis, Mikkas und Kekes Formel 1 zu gucken. Die Tanken sind
sowieso für mich genial: Kavio (Kaffee) gibt's immer frisch und stark und
dazu gleich einen Supermarkt und ein Restaurant. Prima wenn ich mal wieder
völlig durchnässt in der Tanke ankomme.
Aber eigentlich ist das Wetter gar nicht so grauenhaft. Es wechselt halt
sehr schnell. Gerade platzte der Regen hinunter und schon fängt die Sonne
an zu strahlen - und umgekehrt... Finnland überrascht gut und gerne. Auch
die manchmal grimmig dreinblickenden Menschen sind superfreundlich wenn
man sie grüßt - allerdings ist nicht jeder des Englisch mächtig und so
ist die Zeichensprache manchmal wirklich notwendig. Auch das Einkaufen
ist so eine Sache: Alles ist auf finnisch und schwedisch angegeben.
Trotz des hohen Verwandtschaftsgrades zwischen Schwedisch und Deutsch raffe ich
nicht immer was ich so kaufe. Der "Frischkäse" zumindest war keiner und
schmeckte etwas komisch - war aber hoffentlich kein Tierfutter.
So...jetzt ist meine Zeit in der Bücherei in Kuhmo um und ich fahre mal
wieder zum Shoppen in den Abenteuersupermarkt - wenigstens das Wort für
Bier (Olut) habe ich mir schon merken können!
Kiitos und bis bald!
|