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Inari – Finnland, 21. Juli 2004
Buore beaivi...
bedeutet Hallo und ist Sami, die Sprache der Sami hier in Sapmi, ganz weit
im Norden unseres Kontinents. Sapmi ist Euch sicherlich unter dem Namen
"Lappland" besser bekannt. Mittlerweile bin ich mit dem Rad in den
äußersten Norden Europas vorgedrungen, doch angefangen hatte die 2.
Mailetappe in Kuhmo, Mittelfinnland.
Nachdem ich Euch Teil 1 in der Bücherei geschrieben hatte, fing es an zu
regnen. Leider hörte es nicht mehr so schnell auf, so dass ich zu meiner
absoluten Lieblingsbeschäftigung am nächsten Morgen übergehen durfte:
Nasses Zelt einpacken! Hm, toll...denn es regnete einfach weiter, so dass
ich "endlich" mal richtig durchgewaschen wurde. Von unten durch die
Strasse, von oben durch Petrus Werk und von der Seite von den finnischen
Holzlastern.
Dazu wurde es recht kühl und ich hatte 132 km vor mir, die
ich unbedingt irgendwie durchstehen musste, da ich fernab der
Hauptverkehrsstrassen unterwegs war. Auf diesen Hauptstrassen besteht
Busverkehr und ich hätte dort einfach den Bus nehmen können. Doch ich
wählte diese entlegene Strecke, um dem relativ dichten Verkehr Süd- und
Mittelfinnlands zu entgehen. Nach 42 km erreichte ich das 1. Kaff und gleich ein
Tante Emma Laden. Dort gab es karelische Teigtaschen à la Quiche
Lorraine. Das baute mich wieder auf. Aber der Regen wurde stärker und es
waren noch 90 km bis zur Hauptstrasse. Mittlerweile überholten mich nur
noch Holzlaster und russische Autos, denn Russland war nur noch ein paar
km entfernt.
Nach weiteren 50 km im Dauerregen überraschte mich Finnland mal wieder.
Mitten in der Pampa gab es wieder einen Laden, und was für einen: Neben
den üblichen Lebensmitteln lagen Kühlschränke, Mikrowellen,
Lautsprecherboxen herum. Die Dorfjugend probierte die Boxen aus und ich
konnte es kaum fassen, dass es sogar Kreppel und Kaffee gab - dazu
potthässliche gelbe und blaue Plastikstühle und eine Spiegelwand mit
Tisch, an denen ich den bizarrsten Kreppelkaffee meines Lebens genoss.
Außerdem besaß ich einen finnischen Schatten, der ständig hinter mir
herlief und wischte, da ich klitschnass war und meine eigene finnische
Seenplatte produzierte.
So gestärkt ging es auf die letzten 35 km und dann war mal wieder Glückszeit angesagt: Ich hatte keinen Bock auf Schlafen im nassen Zelt und Finnen
überraschen ja gerne und so wurde mir ein alter Ford Transit mit Heizung
angeboten. Dieses erwärmende Angebot nahm ich dankend an. Dass ich dann
noch am Abend meine Lebensmittelvorräte gegen einen besonderen
Eindringling verteidigen musste, hätte ich nicht gedacht: Plötzlich kam
ein Esel um die Ecke und fraß ruckzuck alle Pfefferminzteebeutel samt
Packung auf. Wenigstens hatte er jetzt einen guten Atem, denn er leistete
mir den gesamten Abend Gesellschaft.
Am nächsten Morgen sah die Welt schon wieder ganz anders aus: strahlend
blauer Himmel und Sonnenschein. So konnte ich gemütlich auf der
Europasstrasse nach Norden weiterfahren. Es gab zwar wieder kaum Käffer,
aber alle 20 km Mini-Straßencafés, in denen es bspw. Pfannkuchen auf
Holzfeuer gebacken mit selbst gepflücktem Beerenkompott gab. Über solch
einfachen Dinge freue ich mich auf dieser Tour ganz besonders. Denn das
ist das wunderbare an solchen Reisen: Das gesamte Leben dreht sich
lediglich um 3 Fragen: Halte ich die Reise körperlich durch, hält das Rad
durch und halten wir gemeinsam das Wetter aus - banal, oder? Darum gibt es
eigentlich auch nur 3 Zustände während der Fahrt: Radfahren, Essen und
Trinken, Schlafen! Das macht das Leben endlich mal einfach. Denn unser
Alltag ist doch oft kompliziert: Zu früh Aufstehen, Hetze zur Arbeit,
wann aufhören zu arbeiten, damit man noch Zeit zum Einkaufen hat, was
heute Abend machen, was am Wochenende etc. etc. Da habe ich es gerade sehr
einfach!!!
Nach 1.248 km Radfahren habe ich am Sonntag morgen den Polarkreis
erreicht. Ab diesem Punkt bewege ich mich nordwärts geographisch gesehen
in der Arktis. Aber so arktische Temperaturen habe ich noch nicht: 30 Grad
und Sonnenschein! Am Polarkreis geht am 21. Juni die Sonne nicht unter und
am 21. Dezember nicht auf. Nördlicher Gefilde haben diese Extreme noch
wesentlich länger als einen Tag und hier am Inari-See geht die Sonne ca.
um 0:45 unter und um 1:15 wieder auf. Diesen kurzen Nächten tragen die
Kneipen Rechnung: Selbst im kleinsten Kaff sind die sie bis mindestens
3 Uhr auf und veranstalten KARAOKE! Die Finnen fahren dabei fast drauf ab
wie Koreaner! Ob es an der ähnlichen Grammatik beider Sprachen liegt?
Mittlerweile bin ich öfters im Stau! Aber nicht wegen Autos sondern wegen
Rentieren. Diese halb-wilden Viecher, grasen in ganz Nordfinnland,
nehmen auf den hupenden Autofahrer keine Rücksicht und blockieren einfach
mal die Strasse, so lange sie Lust haben. Lediglich vor mir als Radler
haben sie Angst, da ich keinen Krach mache (oder bestialisch stinke?).
Später landete dann ein Stück Rentier sogar auf der "Polar Pizz"a gemeinsam
mit Annanas und Zwiebeln. Das Fleisch schmeckt eigenartig, aber gut!
Die meiste Zeit geht es landschaftlich immer noch durch Wald. Lediglich
seit gestern Nachmittag, kurz vor dem riesigen Inari-See lichtet sich
der Wald und Moore prägen die Landschaft, ähnlich den schottischen Highlands.
Die Region nördlich des Polarkreises ist der Lebensraum der Sami, die
früher Lappen genannt wurden. Sie sind die eigentlichen Ureinwohner
Finnlands. Sie zogen, nachdem die Finnen kamen vor, ihr Nomadenleben im
Norden weiterzuführen. Sie wurden lange Zeit wie so viele
Minderheiten unterdrückt. Im 17. Jhdt. wurden sie
zwangschristianisiert. Ihre Naturreligion mit Schamanentum wurde verboten.
Im 2. Weltkrieg mussten 1944 die Deutschen nach der Niederlage gegen die
Sowjets das Land verlassen und brannten alles nieder, so dass es heute
kaum noch ein Gebäude in Lappland gibt, das aus der Zeit vor dem 2.
Weltkrieg stammt. Dank der EU und dem finnischen Staat haben die Sami jetzt
ein relativ gutes Leben mit Rentierzucht. Ihre Sprache ist anerkannt,
alles ist 2-sprachig beschildert und sie haben ein eigenes Parlament.
So...jetzt mache ich mich mal auf, wieder das Land zu entdecken, um bald
mal wieder etwas zu berichten!
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