Mainz, 20. Oktober 2013
Namaste,
ist die traditionelle Begrüßungsformel
in Indien und Nepal und in den folgenden Zeilen schildere ich Euch
den ersten Teil der Erlebnisse unserer jüngsten Reise auf den
Subkontinent.
Angefangen hatte die Tour wieder einmal
in Delhi. Während es bei unserer Ankunft 2008 gerade Bombenanschläge
gab und wir 2011 vom top modernen Terminal 3 fast umgeworfen wurden
und die Berliner Flughafen-Planer vielleicht mal hier vorbeischauen
sollten, überraschte uns dieses Mal die Preispolitik der Nobelhotels
der Metropolregion Delhi. Für 23 Euro buchten wir im Internet eine
Übernachtung mit gigantischem Frühstücksbuffet in einem
Fünf-Sterne-Haus südlich des Flughafens in der so genannten
„Bildungs- und Komforthauptstadt“ Gurgaon. Diesen Titel trägt
dieser „Vorort“, der bereits fast 900.000 Einwohner zählt,
sicherlich zurecht, denn hier grenzt ein Luxushotel an das andere.
Natürlich kann man jetzt eine Debatte
starten, dass es ja wohl dekadent sei, in diesem armen Land in solch
einem Haus unterzukommen. Nur dieser extreme Gegensatz zwischen
bitterer Armut auf der einen (Straßen-)Seite und protzigem Luxus
direkt nebenan besteht im Indien der 2010er Jahre permanent. Außerdem
erhoffe ich mir vom Übernachten in diesen Herbergen, dass es den
Angestellten der globalen Hotelketten, doch ein wenig besser geht,
als dem Personal in einen 30-Cent-Hotel im Herzen der Hauptstadt.
Alleine die Zahl der Angestellten in einem dieser Hotels übertrifft
sicherlich die meisten mittelständischen Betriebe daheim in
Deutschland. Ich nehme an, dass dadurch wiederum sehr viele Familien
ein einigermaßen Auskommen haben.
Verkehrschaos in Gurgaon
Aber eigentlich waren wir ja nicht
hier, um im Luxus zu schwelgen, sondern irgendwann einmal in Nepal
anzukommen. Da Anfang Oktober die Festival-Zeit in dieser Weltregion
beginnt und viele Nepalesen mittlerweile außerhalb ihres Landes ihr
Glück suchen, schossen die Preise für Flüge nach Kathmandu, Nepals
Hauptstadt, dermaßen in die Höhe, so dass wir uns entschieden, mal
wieder das Reisen an sich in den Vordergrund des Urlaubs zu stellen.
Schließlich lief das Unterwegs sein in der letzten Zeit oftmals
recht unspektakulär ab, da uns bereits am Flughafen ein Mietwagen
erwartete, wir den Zündschlüssel (sofern es überhaupt noch einen
gab) umdrehten und davon brausten. Daher flogen wir stattdessen am
nächsten Tag mit einer Propellermaschine von Delhi 700 km nach
Süd-Osten in die Metropole Gorakhpur. Wie Ihr kennt Gorakhpur nicht?
Nun ja, der Eigenwerbung des Hotel Ganges zu Folge würden wir
tatsächlich in einer Metropole übernachten. Aber auch wir kannten
diese Stadt im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh zunächst nur vom
Flugplan der indischen Jet Airways. Mit 670.000 Einwohnern ist sie
allerdings so groß wie Frankfurt am Main. Uns fiel in der brummenden
ATR72 nur auf, dass außer uns nur eine Australierin nicht
indisch-nepalesischer Herkunft war. Dabei liegt Gorakhpur nur ca. 100
km südlich der nepalesischen Grenze und der Flugpreis dorthin war
fast zwei Drittel niedriger als der nach Kathmandu. Gab es da
womöglich einen Haken an der Sache?
Nach der Landung auf dem
Militärflughafen, wurden wir zunächst von einer Horde Affen
begrüßt. Nun gut, Militärs standen auch Gewehr bei Fuß, aber auf
den Mauern der Baracke saß tatsächlich eine Herde beim Essen von
Früchten der daneben gedeihenden Bäume. Check-in, Gepäckausgabe,
Warteraum – alle Einrichtungen eines Flughafens konzentrierten sich
auf das klitzekleine Gebäude, das etwa so groß wie unser
Hotelzimmer in Gurgaon war. Dahinter standen bereits die Taxi- und
Rikscha-Fahrer und warteten auf die ankommenden Passagiere. Wir
stellten uns genauso wie die Australierin die Frage, ob wir an diesem
Spätnachmittag noch zur Grenze reisen sollten oder doch lieber eine
Nacht in Gorakhpur verbringen sollten. Sie entschied sich für
Ersteres wir hingegen tuckerten mit dem dreirädrigen Tuk-Tuk gen
Innenstadt. Und da war es auf einmal wieder, das Gefühl 'on tour' zu
sein: Einem Autoscooter ähnlich navigierte der Fahrer uns zwischen
Kühen, Fahrrädern, Mofas und dauer-hupenden Autos durch den fast
zum Erliegen kommenden Verkehr. Der Fahrpreis war vorher vereinbart
worden, aber unser Fahrer hatte eigentlich gar keine Ahnung wo das
Hotel lag – so kam es natürlich, wie in Indien üblich, noch zu
Nachverhandlungen, denen mittels eines kleinen Trinkgelds ein wenig
entsprochen wurde, nachdem unserer Fahrer sich durchfragend uns zum
Hotel brachte. Mittlerweile schaut man ja öfter mal bei Hotels
vorher bei Tripadvisor nach, um einen Eindruck von einem Laden zu
erhalten. Uns verwunderte vorher bereits, dass sich zu Gorakhpur kaum
Einträge fanden und auf den meisten Hotelseiten die Stadt gar nicht
abrufbar war. Umgekehrt erledigt der Lonely Planet diesen Ort auch in
wenigen Zeilen, so dass wir ohne Reservierung in der Stadt
aufkreuzten, mit dem sicheren Gefühl, ja notfalls ein anderes Hotel
vor Ort finden zu können, falls das angestrebte voll war oder sich
zum Übernachten nicht „eignete“. Der Internetauftritt (!)
unseres Hotel Ganges weckte in uns die Erwartung, dass es sich um
eine einigermaßen gediegene Unterkunft hielt, was man in Indien
mittlerweile auch tatsächlich erwarten kann – aber nicht in
Gorakhpur. Ein Alternativ-Hotel? Wir sahen ein paar Kilometer vorher
aus dem Tuk-Tuk noch ein weiteres Haus, das einigermaßen nach Hotel
mit einem Minimum-Standard aussah, hatten aber bei dem Lärm und
Gestank nicht wirklich Lust, nochmals durch dieses Labyrinth an
Gassen und Stink-Straßen zu fahren. Also rein ins „Ganges“, das
mit den Bildern im Internet ja tatsächlich eine entfernte
Ähnlichkeit besaß, aber halt auch nicht wirklich. Schon das
Einchecken war ein Akt größter Bürokratie. In diese
Zeichenblock-großen Gästebücher musste sich zunächst nur eine
Person eintragen – allerdings mit doppeltem Durchschlag in einem
separatem Buch. Es wurde auch nur ein Pass gescannt (!), doch dieser
Prozess dauerte schon 10 Minuten, dann wurde entschieden, dass auch
die Daten der Mitreisenden erhoben werden müssten – nochmals 10
Minuten. Gut, wir hatten Zeit und nach der Inspektion der Zimmer
entschieden wir uns für einen Raum mit Fenster zum Hinterhof, denn
in den Zimmern zur Straße hinaus, verstand man aufgrund des
Hupkonzert draußen sein eigenes Wort nicht mehr. Kaum lagen die
Rucksäcke im Zimmer fiel der Strom aus und der Lärmpegel erreichte
neue Werte, der einsetzenden Generatoren sei Dank.
Farrad-Rikschahs als Taxi-Ersatz
Das anschließende Spazieren auf der
Straße gelang und irgendwie fühlte ich mich in diesem Dreck,
Gestank und Chaos wie zu Hause. In Gorakhpur gab es definitiv nichts
zu sehen, aber das Leben auf der Straße in Indien ist sowieso schon
eine Inszenierung an sich, so dass man einfach bei jedem Schritt
schon genug damit zu tun hat, nicht in Kuhmist oder in die Gosse zu
stapfen, so dass sich die Lust auf Sightseeing sowieso erledigt
hatte. Das anschließende Abendessen zeigte dann wieder, warum die
Liebe zu Indien durch den Magen geht, denn die Curries und Joghurts,
die aufgetragen wurden, waren extrem lecker, obgleich die Menge
unseren Hunger übersteigerte, da schließlich aufgrund fehlender
Kommunikation oder gewolltem Missverständnis noch Speisen
aufgetragen wurden, die wir gar nicht bestellt hatten. Irgendwann am
Abend ließ der Lärm dann doch ein wenig nach und wir konnten einen
einigermaßen erholten Schlaf finden.
Am nächsten Tag stand eine relativ
lange Reise von ca. 350 km inklusive Grenzübertritt an. Eigentlich
wollten wir von unserem Hotel aus direkt mit dem Taxi zur Grenze
fahren, aber es gab gar keine Taxis in der Gegend – nur
Fahrrad-Rikschas. Daher mussten wir uns zunächst zum Bahnhof radeln
lassen und es entstand natürlich das nächste gewollte (?)
Missverständnis. 50 und 15 hören sich im Englischen nahezu gleich
an und ein Rikscha-Fahrer, der garantiert kein Englisch und höchsten
Hindi spricht oder doch eher eine der rund 20 verschiedenen
Landessprachen, weiß natürlich nicht um diese sprachliche
Ähnlichkeit. Uns war es auch ziemlich egal, ob wir nun 80 oder nur
20 Euro-Cent bezahlen sollten, aber ein Passant mischte sich
plötzlich ein und machte den Rikscha-Fahrer zur Schnecke, er dürfe
höchstens 30 Rupien verlangen. Dies war mal wieder „Incredible
India“ - dass sich wildfremde Menschen, in Verhandlungen über
Pfennig-Beträge einmischen, damit der Tourist ja nicht übers Ohr
gehauen wird. Wir wollten eh nur weg aus Gorakhpur und waren froh,
dass wir mit unserem Pack nicht nicht bis zum Bahnhof laufen mussten.
Am Ende steckte ich dem Fahrer dann 40 Rupien zu und alle waren
wieder glücklich.
Am Bahnhof war dann schnell ein Taxi
gefunden, das uns in rund zwei Stunden die 100 km zur Grenze brachte.
Oder fast zur Grenze, denn die letzten hundert Meter zum Schlagbaum
verstellten LKW und wuselnde Menschen die Straße komplett. Die
Ausreise aus Indien, unsere erste zu Land überhaupt, gestaltete sich
einfach und unkompliziert. Natürlich musste wieder ein Papier
ausgefüllt werden, aber das ist in diesem Teil der Erde ja
vollkommen normal und fällt eigentlich gar nicht mehr auf. Einreisen
im „Schengen-Stil“ wird es außerhalb von Europa wohl auf
absehbare Zeit weltweit kaum geben. Dann ging es zu Fuß auch schon
rüber zu den Nepalesen, die anders als die Inder bereits so
unbürokratisch waren, von Deutschen kein Visum vorab zu verlangen,
sondern sich in der Lage sehen, ein Visum bei der Ankunft
auszustellen. Im Büro der Einreisebehörde gab es eine
„Menü-Übersicht“ an der Wand, einem McDonalds nicht unähnlich.
Je nachdem wie lange man bleiben möchte, also 15, 30 oder 90 Tage,
mussten unterschiedliche Beträge plus Passphoto ausgehändigt
werden. Interessantestes Angebot waren die aufgelisteten Forderungen
für das Überziehen des Visums: Geldbetrag pauschal, plus Betrag pro
Tag plus Kopie des Visums plus Passphoto!
Unterwegs im Terai, dem Flachland Nepals
Kaum aus dem Büro der Grenzbeamten
hinausgetreten, wurden wir schon von zahlreichen Schleppern begrüßt.
Diese genießen ja allgemein unter Reisenden meist einen miesen Ruf,
doch ich finde diese Buben (Frauen üben diesen Job nie aus)
eigentlich immer ziemlich praktisch, auch wenn ich weiß, dass ich
gegebenenfalls eine kleine Provision bei der Inanspruchnahme einer
Dienstleistung mitbezahlen muss. Aber diese Leute müssen ja auch von
etwas leben und wer kann mir in Sonauli an der indisch-nepalesischen
Grenze eigentlich sonst im Handumdrehen einen Geldautomaten zeigen
und ein „Reisebüro“, das in Windeseile einen Wagen für die
Weiterfahrt organisiert? Geldautomaten sind für mich die große
Erleichterung beim Reisen der letzten Jahre. Endlich keine
Reiseschecks und Unmengen Bargeld durch die Gegend schleppen! Der
Fahrpreis für den Wagen war auch ruck zuck ausgehandelt, denn der
Benzinpreis war in Nepal höher als in Indien und Nepalesen scheinen
nicht unbedingt darauf zu stehen, anfangs astronomische Unsummen für
diverse Dienstleistungen abzurufen – das machte die Menschen hier
gleich sehr sympathisch.
Abendstimmung in Sauraha
Die 250 km auf relativ guten Straßen
verliefen recht unspektakulär, bis auf den wirklich bemerkenswerten
Besuch einer Zementfabrik irgendwo im Terai, der nepalesischen
Tiefebene. Denn jedes Mal, wenn man einen Wagen irgendwo in der Welt
organisiert, macht der Fahrer immer irgendwie noch zusätzlich sein
Ding. So auch dieses Mal, wo wir eine halbe Stunde an der
Zementfabrik warten mussten, da unser Fahrer irgendetwas regeln
musste. Das nervte zwar gewaltig, aber seit der Ankunft in Gorakhpur,
„funktioniere“ ich in einer Art „Gelassen“-Modus und mich
bringt dann nichts mehr so schnell aus der Fassung. Schließlich
befand ich mich im Urlaub und da gehört in Nepal der Besuch einer
Zementfabrik definitiv dazu...
Am Spätnachmittag erreichten wir dann
Sauraha, ein Dorf am Chitwan-Nationalpark gelegen, der mich mit
seinem Artenreichtum stark an Afrika erinnerte. Da wir mit Rucksäcken
im gewählten Hotel zu Fuß ankamen, entgegnete man uns, es gäbe nur
recht teure Zimmer. Gut das Wort „teuer“ ist dann doch
Definitionssache, denn 20 US$ für ein großes gepflegtes Zimmer mit
Klimaanlage und großem Bad, Terrasse und Blick auf die Reisfelder
des Dorfes plus Gartenanlage, fällt bei mir zumindest nicht unter
den Begriff „teuer“. Es war aber irgendwie schön zu sehen, dass
ich mit meinen 40 Jahren und dem Rucksack immer noch für einen
Pfennig fuchsenden Backpacker gehalten werde. Da fühlt man sich
doch gleich ein paar Jahrzehnte jünger!
Panzernashorn im Chitwan-Nationalpark
Während die Unterkunft perfekt war und
ich auch, dem Wifi sei Dank, den späten Ausgleich von Mainz 05 gegen
Hoffenheim mitbekam, spielte das Wetter nicht so richtig mit. Es
nieselte und von der eigentlich jetzt vorherrschenden Trockenzeit war
nichts zu sehen. Aber das Wetter spielt ja eh seit Jahren weltweit
verrückt und Regen im Dschungel zu haben war jetzt auch nicht so
schlimm. Am nächsten Tag gingen wir mit Führer auf Entdeckung im
Nationalpark und es war schon beeindruckend so viele Reptilien
(Krokodile), Vögel (alles mögliche) und Säugetiere (Nashörner,
Affen) auf unserer Safari im Boot und zu Fuß zu entdecken. Das
morgendliche Elefanten-Baden und der Besuch der
Elefanten-Aufzuchtstation waren weitere Highlights unseres Ausflugs
ins tropische Nepal, das mit unserem Bild dieses Himalaya-Anrainers
so gar nicht zusammenpasst.
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