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Jaisalmer – Indien, 27. September 2008
Guten Tag aus Jaisalmer,
auf der Suche nach Wärme und Trockenheit hat es uns in dieser Woche von den Berghängen
des Himalajas in die Wüste Thar im äußersten Westen Indiens verschlagen. Diese
"180 Grad Drehung" in den Reiseplänen war wirklich notwendig
geworden, da es in unserer angepeilten Wanderregion die stärksten Regenfälle
seit 46 Jahren gab - und das auch noch in der eigentlichen Nach-Monsun-Zeit, in
einem kurzem Abschnitt von Mitte September bis Mitte Oktober, in der es sich im
Himalaja Indiens rein theoretisch gut wandern lässt. Viele Strassen waren nach
den heftigen Regengüssen tagelang unpassierbar, es gab in einigen Dörfern, die
wir bereisen wollten, heftigen Schneefall, und feststeckende Autofahrer wurden
zum Teil per Helikopter aus der Luft mit Matratzen und Essen versorgt. Daher
hatten wir mit unserem halben Tag Abgeschnitten sein sehr großes Glück. Auch
die Telekommunikation war gestört und so erreichte mich die SMS mit dem
Ergebnis der Mainzer gegen die Clubberer aus Nürnberg auch erst mit 12 Stunden Verspätung...
Narkanda, Himachel Pradesh
In Shimla angekommen, ging es mal wieder in eine Dependance meines Ashrams
alias indische Bahnhofshalle. Auf meiner ersten Indienreise vor fünf Jahren
flippte ich in Varanasi in besagter Halle aus, als nachts der Zug immense Verspätung
hatte und ich nicht mehr wusste, ob und wann er kommt. Bekanntlich kam er
irgendwann und drei Monate später brachte mich u.a. auch Indian Railways wieder
heil nach Mainz zurück. Nun ja, dieses Mal sollte uns Indian Railways aus dem
Dauerregen in die Trockenheit bringen. Dass dies ein großer bürokratischer
Akt werden würde, war uns beiden klar. Aber natürlich überrascht Indien und
Indian Railways insbesondere den Fremden dennoch immer wieder. Denn auch im
Zeitalter von Internet und Online-Reservierungen muss man bei Indian Railways zunächst
sich am Getümmel vor dem Schalter durchwuseln und ein Formular verlangen. In
diesem muss dann alles sinnvolle zum begehrten Fahrscheinwunsch eingetragen
werden, wie Zugnummer, Einsteige- und Aussteigebahnhof, Datum, Klasse und Sonderwünsche
wie Oberbett im Liegewagen, aber auch so unnützes Zeug wie Adresse, Name und
Unterschrift. Na ja Inder lieben halt Zettelwirtschaft. Danach geht es ans sich
Anstellen. Das lief in Shimla recht zivilisiert, sprich nach
westlichem Standard, eigentlich normal ab. Aber es gibt ja immer noch den
Angestellten der Bahn, der das Ganze wieder very special werden lässt.
Denn unsere auserwählten Züge waren tatsächlich buchbar, was an
sich schon manches Mal an ein Wunder grenzt. Aber wir hatten ja den
Sonderwunsch im 8er Abteil jeweils die beiden oben platzierten
Liegen zu nutzen. Leider vergaß unser Schalterbeamter diesen Wunsch und wir
bekamen für die beiden Strecken Kalka - Delhi und Delhi -
Jaisalmer zwei Plätze untereinander. Jetzt werdet Ihr Euch vielleicht
denken, ist doch egal - Hauptsache einen Platz - aber bei Indian
Railways ist die Position der Liege für das Maß an Erholung in einem Urlaub von
unglaublicher Wichtigkeit. Also machten wir den Beamten darauf aufmerksam,
dass wir nicht unsere Wunschplätze erhielten. Nach einem Hin- und Herdiskutiere
in Indian English kamen wir zum "Kompromiss", dass wir die
Tickets stornieren sollten und danach die Tickets mit den Wunschplätzen
bekommen. Eigentlich ganz o.k:, oder? Na ja eigentlich recht stressig, denn
nun mussten wir insgesamt vier Formulare erneut ausfüllen, also ein
Stornierungsformular für Kalka - Delhi, eines für Delhi - Jaisalmer und dann
wieder zwei neue Formulare für die gleiche Strecke. Und darüber hinaus
sollten wir auch noch 160 Rupien Stornierungsgebühr zahlen. Dieser
Betrag von 2,40 Euro ist eigentlich lapidar - aber insgesamt hat die Reise über
1.200 km nur knapp 1.000 Rupien gekostet - und von daher brachte uns Indian
Railways mal wieder zum Ausflippen - aber egal, wir hatten nach
ca. einer Stunde Formularausfüllen kurz vor Schalterschluss unsere Tickets und
konnten so den Rest des Sonntags Spazieren gehen.
Shimla, Himachal Pradesh
Ein recht steiler aber netter Spaziergang oberhalb von Shimla wurde meinem Wohlbefinden dabei fast zum Verhängnis. In ganz
Shimla gibt es Affen, die die indische Tierquote wieder auf Normalniveau
bringen, da sich wohl die meisten Kühe hier den Hintern abgefroren haben und es
erstaunlich wenige muhende, wiederkäuende Vierbeiner gibt. Überall in Shimla
wird man vor den Affen gewarnt. Man soll sie nicht füttern und einen Bogen um
sie herum machen. Am Jakhu Tempel oberhalb der Stadt ist das Verhältnis Mensch
zu Affe dann fast ausgeglichen. Natürlich hatte ich die Warnungen im Kopf und
die Viecher gingen uns eigentlich auch aus dem Weg. Auf der Suche nach einem
netten Motiv Affe plus Tempel kniete ich mich dann auf den Boden und knipste
ein paar Bildchen. Unverfroren schlich sich von der Seite plötzlich ein Affe an
und nahm in elegantester Weise, technisch hervorragend blitzschnell meine
Brille von der Nase - obwohl ich noch eine Baseball-Cap anhatte. Ich trug weder
Kratz- noch sonst irgendwelche Spuren davon, aber der Affe machte sich mit der
Brille erstmal ein paar Meter davon. Sofort kamen ein paar Inder hergelaufen
und meinten jetzt müsse ich mit dem Affen kommunizieren. Häh? Hm, ich sah meine
Brille schon irgendwo in den Bergen Indiens von Affen zerkaut und war nur froh
eine Ersatzbrille dabei zu haben. Die Inder meinten, ich müsste dem Affen etwas
zum Austausch wie bspw. Essen bieten. Nun ja wir hatten natürlich nichts dabei,
um diese Geiselnahme friedlich zu beenden. Aber in Incredible India gibt es natürlich
für solche Geiselnahmen Unterhändler und diese warfen dem bebrillten Affen eine
zur Kugel geformte Plastiktüte zu. Diese war wohl für den Affen attraktiver und
er ließ die Brille fallen und mein Brillenretter konnte mein Nasenfahrrad
unversehrt retten und war über einen angemessenen Kompensationsbetrag in Rupien
sicherlich ‚very happy’ - Incredible India!
Jakhu-Tempel - Shimal, Himachal Pradesh
Am nächsten Tag hieß es Abschied nehmen vom Himalaja. Ein letztes Mal wurden
wir an das heftige Regenwetter erinnert, denn die Bahnverbindung Shimla - Kalka
war seit drei Tagen unterbrochen und um ins 80 km entfernte Kalka zu gelangen
hatten wir uns vorerst zum letzten Mal wieder in einen Bus zu quetschen. Auch
dieser konnte nicht die direkte Strecke nehmen, da die Strasse verschüttet war.
Über Umwege erreichten wir dann Kalka und es ging auf einer Schlafen-Unmöglich-Zugfahrt
in die Hauptstadt Delhi zurück. Eine Zugfahrt ist immer nur so angenehm, wie
die Passagiere, die diese gestalten. Diese Erkenntnis bewahrheitete sich mal
wieder auf der Fahrt nach Delhi, denn die gesamten sieben Stunden blökten Inder
durch den Wagon, damit auch ja niemand ein Auge zudrücken konnte. In Delhi
angekommen hieß es dann endlich abspecken. Zelt, Isomatte, Daunenschlafsack,
Trockenessen, Winterklamotten verblieben in einer Packtasche in einem
Guesthouse und wir zogen leicht bepackt nach wenigen Stunden Aufenthalt wieder
zum Bahnhof zurück, um den Nachtzug nach Jaisalmer kurz vor der pakistanischen
Grenze in der Wüste Thar zu nehmen. Wüste klang für uns in den nassen, feuchten
Bergen wie das Paradies - um dieses aber zu erreichen, wurden wir von Indian
Railways zuvor aber nochmals richtig auf die Probe gestellt. Zunächst einmal
sorgte Indian Railways für große Verwirrung, denn wie bei allen
Bahngesellschaften weltweit üblich besitzen Waggons auch hier Nummern, die auf
Schildern angebracht sind. Dass diese Nummern aber gar nichts besagen, sondern
vielmehr ein stoisch den Bahnsteig herunterschlendernder Bahnbeamter mit Kreide
(!) den Wagen S6 in einer Reinkarnation zum Wagen S1 mutieren lässt, war auch für
uns mal wieder neu - Incredible India! Aber selbst die Inder waren verwirrt und
so löste sich die Hoffnung auf eine pünktliche Abfahrt natürlich auch gleich in
Kreidestaub auf.
Dehli - Old Delhi Bahnhof
Die ersten Kilometer verlief die Fahrt recht angenehm. Im 8er-Abteil saßen tatsächlich
acht oder sogar weniger Seelen. Zu dieser Zeit wurde auch unsere Fahrkarte vom
Schaffner geprüft. Komischweiser wurden von den acht Fahrgästen im Abteil nur
von dreien die Tickets kontrolliert. Und nach einem weiteren Halt in einem
Vorort von Delhi wurde der Liegewagen von Pendlern gestürmt und der Schaffner löste
sich einfach im Nichts auf. So saßen auf einmal auf der untersten Liege fünf
Leute und unsere obere Liege auf der unsere Rucksäcke lagen, wurde ebenfalls in
Beschlag genommen. Natürlich machte ich mich mit meinem Protest etwas lächerlich
- aber es zeigte den Leuten wenigstens, dass wir gegebenenfalls nicht kampflos
unsere Liegen aufgeben würden, wenn wir müde sind. Am Ende war dann alles halb
so schlimm, denn als wir andeuteten, jetzt mal ruhen zu wollen, wurden die
Liegen anstandslos geräumt. Die Mittelliege wurde hingegen noch gar nicht
aufgebaut und die unterste Liege war ja in Pendlerbesitz! Ihr erinnert Euch
jetzt, warum wir auf die oberste Liege bestanden? Yep - und so war dann die 19
Stunden Fahrt nach Jaisalmer eigentlich recht entspannt - selbst das Zugessen
war recht lecker und das für 0.57 Euro! Und dass der Zug am Ende 15 Minuten
Verfrühung hatte, wieder in das Bild von Incredible India(n Railways).
Sleeper Class - Indian Railways
In Jaisalmer wurde dann zu unserer Freude das Klischee einer Wüstenstadt bestätigt.
Es ist heiß, trocken und die Regentage gehörten somit der Vergangenheit dieser
Reise an! Aber wir genießen in diesem Kleinod mitten in der Wüste nicht nur das
Wetter, sondern auch die das Leben und die Lage dieses Ortes: Auf einem Hügel
befindet sich mitten im Nichts ein riesiges Fort, das bis heute bewohnt ist. Es
zählt wohl nur deshalb nicht zum Weltkulturerbe der UNESCO, da Autorikscha,
Moped und Kuh durch das Burgtor düsen dürfen und es leider auch bis heute möglich
ist, innerhalb der Festungsmauern als Hotelgast zu übernachten, was die
Wasserversorgung und die Drainage zusätzlich unnötig belastet. All dies führt
dazu, dass dieses Monument zu den 100 am gefährdesten Denkmälern weltweit gehört.
Es besteht wirklich die Gefahr, dass diese Burg irgendwann kollabiert und man
dann nur noch die Ruinen bewundern oder die omnipräsenten Kamelsafaris buchen
kann.
Jaisalmer, Rajasthan
Seit unserer Ankunft in Indien gibt es etwas was wir in
diesem Land wirklich sehr bewundern und das ist das Essen. Und da Indien
kulinarisch gesehen mindestens die Bandbreite eines Kontinents hat ist ein
Restaurant, das sowohl nord- wie südindische Küche auf einer Speisekarte führt
und diese Speisen dann auch tatsächlich auftafeln kann, ein wirkliches
Paradies! Und in Jaisalmer fanden wir diese Futteroase! Zum Frühstück gibt es
zum Beispiel Idli, Klöße aus Linsen-Reisteig, die immer mit einer Kokosnusssoße
und Linsensoße gereicht werden. Oder Dossa, hauchdünne Pfannkuchen, gefüllt mit
Tomaten, Zwiebeln oder auch Kichererbsenpaste. Oder Poha, eine Art Reisflakes
mit Erbsen und Tomaten. Dazu gibt es überall in der Stadt hundertprozentigen
frisch gepressten O-Saft, den omnipräsenten Chai (Tee) und Buttermilch oder
Yoghurt oder natürlich Lassi. Da es zurzeit so extrem heiß ist, eignet sich
Raita am besten als Mittagessen. Dies ist auch ein Yoghurt der entweder mit
einer Art Backerbsen versehen oder mit Paprika, Zwiebeln und den
unterschiedlichsten Gewürzen gemischt wird. Natürlich gibt es auch das
Standard-Indien-Essen wie bspw. Palak Paneer (Spinat mit Käse), das hier zur
Gruppe des Punjab-Essen zählt. Dass die indische mit der italienischen Küche
Gemeinsamkeiten aufweist zeigt sich dann bei Utapam einer Art Fladen, der mit
Tomaten und Zwiebeln belegt, ähnlich einer Pizza schmeckt. Und Upma ist ein Linsengrießgericht,
das sehr der Polenta ähnelt. All diese Gerichte waren mit vielen Gewürzen
angereichert und es einfach immer wieder verwunderlich wie kompliziert und
aufwendig die Inder kochen, um das beste kulinarische Futter für ein paar Cent
auf den Teller zu zaubern. Ein Bestandteil der in den meisten Ländern viel zu
kurz kommt ist das Brot, das hier auch superlecker ist: Oben im Himalaja gab es
das dicke tibetanische Fladenbrot, Chapatis (dünne Fladen), Papad (krosses
Gebaeck aus Linsenteig) und Roti aus dem Tandoor-Ofen runden jedes Mahl perfekt
ab. Da man ja doch recht viel Zwiebeln, Knoblauch und sonstige geruchsintensive
Dinge sich beim Essen in den Rachen wirft, gibt es dann beim Bezahlen gesüßte Aniskörner,
die wie eine Art Domestos den Mund- und Rachenraum reinigen.
Mix Vegetable, Alu Dam, Tandoori Roti, Naan, Green Salad
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