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Shimla – Indien, 21. September 2008
Guten Tag aus Shimla,
nachdem ja schon einige von Euch beunruhigt waren, da sie
keine Mails mehr von mir aus fremden Ländern bekommen, melde ich mich heute mal
wieder aus dem sonnigen Shimla, im indischen Bundesstaat Himachal Pradesh. Wie
der Name Himachal vielleicht schon vermuten lässt, ist die Verbindung zum Wort
Himalaja nicht allzu weit und exakt in diesem Gebirge halten wir, Valentina und
ich, uns gerade auf. Eigentlich ist die Distanz Delhi - Shimla nicht gerade
weit aber in den vergangenen Reisetagen schien auch die geringste Distanz
eigentlich schon unüberwindbar. Doch dazu später mehr...
Angefangen hatte die Reise schon mit einem Schock: Dem
exzellenten indischen Mobilfunknetz sei Dank, dass ich nach der Landung in
Delhi bereits eine SMS von meiner Schwester erhielt, die mir mitteilte, dass
sich ca. 4 Stunden vor unserer Ankunft fünf Bombenanschläge im Zentrum Delhis
ereignet hatten. War bei meiner letzten Landung in Indien vor 5 Jahren der
Kulturschock von Burma nach Indien gewaltig, war es nun natürlich der Schock,
gerade einem Anschlag vielleicht entgangen zu sein - alles in allem ein etwas
bedrückender Empfang in unserem Gastland. Gingen mir beim letzten Mal in Indien
die Leute sofort auf den Keks, da sie für alles Bakshish wollten, so kann ich
bis heute noch von den Indern schwärmen. So viel Hilfsbereitschaft und
Freundlichkeit uns gegenüber macht diese Reise wirklich zu einem Vergnügen und
die Terroranschläge waren bereits am nächsten Tag von den positiven Eindrücken
durch die Menschen hier in den Hintergrund gerückt. Aber natürlich verbrachten
wir eine eher unruhige Nacht außerhalb der Innenstadt Delhis in einem Viertel
von Exil-Tibetern. Dort kamen wir weit nach Mitternacht an, und es war
eigentlich alles dunkel und geschlossen, so dass wir dem einzigen Lichtschein
nachgingen, und in einem Wohnhaus landeten. Aber ein freundlicher Tibeter kam
gerade die Treppe hinunter und fand für uns sofort ein Hotel in einem dunklen,
ruhigen Gassengewirr.
Schnellste Verbindung in der Stadt: die Auto-Rikscha
Natürlich wollten wir am nächsten Tag so schnell wie
möglich die Hauptstadt verlassen. Mit einer Auto-Rikscha, einem thailändischen
Tuktuk ähnlich nur wesentlich kleiner, ging es mit zwei riesigen Rucksäcken
voll gepackt dem Busbahnhof entgegen. Den Busbahnhof von Delhi stellte ich mir
eigentlich chaotisch vor, doch alles hatte seine Ordnung. Getrennt nach Orten
gab es Abfahrtpiers und da Valentina Hindi lesen kann, fanden wir bald den
richtigen Bus und brausten sogleich aus der Stadt davon und bei uns stellte
sich endgültig wieder ein gewisses Sicherheitsgefühl ein, da wir nicht damit
rechneten, dass es in Kleinstädten oder im Himalaja solche Art von Anschlägen,
von Moslemextremisten verübt, geben wird. Und dass der Bus nach einem Fahrplan
abfuhr, nicht voll war, verwunderte mich ein weiteres Mal über das 'Incredible
India'. Die kleine Pilgerstadt Kurukshetra war unser erstes Ziel und es stellte
sich als ein sehr erholsamer Ort heraus. Wahrscheinlich verirren sich recht
selten Touristen in diese Stadt, die grob gesagt zwischen Delhi und den
Ausläufern des Himalajas liegt. Wir wurden von vielen Leuten neugierig
angeguckt aber nicht angegafft, nicht angequatscht und das in Touristenzielen
übliche "you need Hotel" Angelaber blieb auch aus. Es gab ein relativ
teures Hotel, das uns nicht so lag, und plötzlich stoppte die Polizei neben
uns. Nach einem Hotel gefragt, schlugen sie nach diesem teuren Hotel ein
Pilgerhotel neben einem Hindutempel vor, da wir nur eine Nacht bleiben wollten.
Diese Hotels sind sehr preiswert und eigentlich für Pilger reserviert, aber die
Polizei erteilte uns sozusagen ihren Segen, dieses zu nutzen. Aber Indien wäre
ja nicht Indien, wenn jetzt alles klappen würde. Wir warteten im Innenhof etwa
eine Stunde auf den Rezeptionist, der aber irgendwie abhanden gekommen war.
Auch andere Pilger warteten vergeblich und so gingen wir wieder auf die Strasse
um sogleich dann doch angesprochen zu werden. Normalerweise sind Hotelschlepper
lästig, da sie vom Hoteleigentümer eine Kommission erhalten, doch hier war die
Welt noch in Ordnung. Die beiden fuhren uns mit ihrer Auto-Rikscha zu einem
anderen netten Pilgerhotel und wollten keine einzige Rupie für ihren Service!
Incredible India!
Für Liebhaber der indischen Küche: Snack-Stände in Shimla
Danach ging es zum Futtern in die Stadt. Inder sind
Snack-Liebhaber und so nahmen wir zum Aperitif Panipuri ein. Das sind dünne
frittierte hohle Bällchen, in die Kichererbsen und Chiliwasser reinkommen. Man
erhält einen Teller und dann gibt es Panipuri um Panipuri bis man voll ist. Bei
uns war nach einem Dutzend Schluss und hier wurden wir dann doch ein wenig
abgezockt. Dies bekam ein Passant mit. Wir lachten eher über den Vorfall, dass
wir um ca. 20 Euro-Cent "beschissen" wurden, doch nun tuckerten
wieder unsere Polizisten vorbei, die eigentlich fragen wollten, ob wir gut im
Hotel angekommen sind. Der Passant petzte nun bei den Cops und diese nahmen
sich den Panipuri-Verkäufer vor und wir erhielten sofort unser Geld zurück, das
wir gar nicht wollten. Doch alles Beschwichtigen half nichts... wir bekamen die
20 Cent wieder, basta! Incredible India!
Kühe sind in Indien omipräsent: Kurukshetra, Haryana
Es war herrlich in dieser Stadt an den
künstlich angelegten Seen zu spazieren. Nur die Hitze machte uns ein wenig zu
schaffen, zumal es in der Nacht gefühlte 100 Stromausfälle gab, in der der
Ventilator natürlich seinen Geist aufgab und die Luft genauso zu stehen schien,
wie die Blätter des Ventilators. Am nächsten Tag ging es dann in die Berge.
Zunächst mussten wir die Busstation im Gassengewirr finden. Dazu eignet sich
immer ein Rikscha- Fahrer der uns bereitwillig mit all unserem Gepäck zum
gewünschten Ziel fuhr. Über Chandigarh ging es dann mit dem Bus von ca. 300 m
auf 2.200 m nach Shimla. Dass Indien ein Verkehrs- und vor allem ein
Abgasproblem hat, konnten wir am Beginn der Fahrt feststellen, da sich alles
den Berg hinauf drängte. Hupende Busse, hupende Auto-Rikschas, hupende LKW, die
mit ihrem Schneckentempo alles verstopften. Nach ca. 4 Stunden (!) hatten wir
die ca. 100 km bergauf zurückgelegt und kamen in der wunderbaren Sommerfrische
Shimla an. Die Stadt gewann durch die Engländer Bedeutung, die das unbedeutende
Dorf im 19. Jhdt. zur Sommerhauptstadt von Indien machten, da es hier kühl und
angenehm war, während die damalige Hauptstadt Calcutta in der Sommerschwüle,
den Engländern naturgemäß überhaupt nicht behagte.
Shimla, Himachal Pradesh
Nach einem Erholungstag in
Shimla, das sogar eine Verkehrsberuhigte Innenstadt besitzt, in der es sich vom
Chaos des Tieflands wunderbar erholen lässt, ging es am nächsten Tag wieder mit
dem Bus weiter in Richtung Himalaja. Dementsprechend wurde die Busfahrt
einerseits zu einer Panaromatour auf Serpentinenstrassen, andererseits zu einem
Schneckenrennen mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von ca. 15 km/h. Nach einem
anstrengenden Fahrtag hatten wir ca. 160 km zurückgelegt, aber auch ca. 1.400
Höhenmeter nach oben und 1.700 nach unten, um im Pilgerdorf Sarahan hoch über einem
Flusstal anzukommen. Es war bereits dunkel und das einzige was wir erkennen
konnten, waren zwei riesige Holztürme, innen beleuchtet, die zum Tempelkomplex
des ansonsten unbeleuchteten Dorfes gehörten. In ohrenbetäubender Lautstärke
wurde für ca. eine halbe Stunde das gesamte Tal mit Mantra-Musik beschallt. Ich
fühlte mich wirklich in eine andere Welt versetzt und musste mal wieder
feststellen: Incredible India!
Sarahan, Himachal Pradesh
Morgens sahen wir dann den Tempel im Tageslicht,
das leider durch die Wolkenteppiche ein wenig diffus wirkte aber irgendwie den
Tempel in einer mystischen Atmosphäre tauchte. Ganz profan ging es auf dem
daneben liegenden Bolzplatz ab, da dort eine Art Bundesjugendspiele vom
gesamten Distrikt stattfanden. Statt Fußball waren hier Mannschaftssportarten
angesagt, die ich überhaupt nicht kannte. Die Kids hatten beim Spielen ihren
Spaß genauso wie beim Photographieren mit meiner Digitalkamera. Nachmittags
konnten wir dann natürlich die Tea Time wunderbar mit einer Aussicht auf die in
den Wolken sich befindende Gebirgskette beschließen. Und es fang zu regnen an!
Am nächsten Tag wollten wir eigentlich dem indisch-tibetanischen Grenzverlauf
folgen. Die gesamte Reise faszinierten uns bereits die Menschen, die teilweise
bereits dem tibetanischen Volk angehörten, was sich auch kulinarisch zeigte, da
es bereits Momos (eine Art Maultaschen) und Tupka (deftige Suppe) gab. Und nun
sollte es eigentlich in der Region Kinnaur und Spiti so richtig tibetanisch,
buddhistisch werden.
Sarahan, Himachal Pradesh
Doch in Indien sollte man lieber keine Pläne machen.
Dieses Mal war es allerdings Mutter Natur, die unsere Reise beeinflusste. Es
regnete bereits fast 24 Stunden am Stück recht heftig, so dass wir uns
entschlossen wieder in Richtung Shimla zurückzukehren. Schließlich war es
einfach auch saukalt, feucht und die Klamotten bereits sehr klamm. Dass diese
Entscheidung richtig war erfuhren wir erst heute in Shimla, da wir hier erst
wieder in die Medien schauen konnten. Die anstrengende Rückfahrt im Dauerregen
unterbrachen wir im 2.700 m hoch gelegenen Narkanda, wo man als indischer
Jet-Setter im Winter sogar Ski fährt! So gab es hier leckeres Essen, ein
snobbiges Hotel, das auch billige Fensterlose Zimmer für klamme Backpacker aus
Deutschland hat und eine unfreiwillige verlängerte Pause...denn es regnete
einfach die ganze Nacht weiter! Morgens wollten wir eigentlich weiter nach
Shimla, doch es hieß nur noch Road Closed. In der Nacht entwurzelte der Regen
viele Bäume, Felsbrocken blockierten die Strasse und Erdrutsche taten ihr
übriges, dass wir zwischenzeitlich h von der Außenwelt abgeschnitten waren.
Also blieb uns nix anderes übrig als das leckere Essen zu genießen und zu
warten. Einen Tee, einen Kaffee, ein Frühstück und ein ausgiebiges Mittagessen
weiter, hatten wir mal wieder Glück. Ein Jeep hielt an und fragte, wohin wir
wollten, da wir zwischen dem Essen immer die autofreie Strasse im Regen entlang
spazierten. Für viele Rupien schlug sich dieser Jeep nach rund 8 Stunden Warten
nun seinen Weg über die 2 Tage zuvor noch einigermaßen gute Strasse nach Shimla
durch. Mit Handsägen räumten die Inder die Bäume aus dem Weg, Felsbrocken waren
zum Glück auch schon weg, so dass wir nun wieder in Shimla hocken und den
blauen Himmel und den Sonntagnachmittag in dieser Sommerfrische genießen.
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