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Lethem – Guyana, 19. April 2002
Hello from Guyana,
mittlerweile habe ich das sog. 2. Guyana durchquert, da Surinam früher
Niederländisch Guyana hieß, und die Holländer dieses Land 1667 von den
Engländern im Tausch gegen New Amsterdam, besser bekannt unter dem Namen
Manhattan (New York City), eingetauscht hatten.
Im Gegensatz zu Französisch Guyana ist Surinam nun seit 1975 unabhängig, aber
die Verbindungen zu Holland scheinen noch immer zu bestehen: Jeder hier
(vielleicht mit Ausnahme von mir) bedauert dass das Oranje Team nicht zur
Fußball WM fahren darf, denn Fußball ist hier Nationalsport Nummer
1, dank Clarence Seedorf, dem holländischen Fußballstar, der hier eine
Fußballnationalmannschaft samt Stadion aufbaut. Außerdem fahren
natürlich die schrottreifen Autos der alten Kolonialmacht bis zum
Auseinanderfallen weiter, obwohl hier Linksverkehr herrscht, und damit
eigentlich das Steuer besser rechts angebracht wäre. Der Linksverkehrt
ist auf den Kutschen-Linksverkehr vor 1667 von den Engländer eingeführt,
zurückzuführen. Es ist schon ein angenehmes Gefühl endlich wieder mit
diesen zweifelhaften Gefährten unterwegs zu sein, die höchstens 60 km/h
fahren, nachdem in Französisch Guyana mit 140 km/h in 'Raketengeschwindigkeit'
durch den Urwald geprescht wurde.
Die Hauptstadt Surinams mit dem wunderschönen Namen Paramaribo (zu
deutsch aus dem Sranan Tango (Surinamesisch): Ort an dem der Maramara-Baum
wächst) ist wirklich ein Amsterdam in den Tropen. Die 'Waterkant' ist mit
stilvollen Holzhäuschen übersät, die auch an einer Gracht 7.000km
weiter nordöstlich stehen könnten. Allerdings ist Parbo, wie die
Einheimischen sagen, nicht immer ganz ungefährlich, zumindest
für Fußgänger, denn Fußgängerampeln gibt es nicht. Dafür aber Ampeln für
Autofahrer, die man als Fußgänger wiederum nicht einsehen kann.
Plötzlich befindet man sich dann in folgender Situation: An allen Ecken
warten die Autos, und man weiß eh schon nicht mehr wohin man beim
Linksverkehr blicken soll, und dann heißt es den ganzen Mut
zusammennehmen und die Fahrbahn überqueren, da man ja nie weiß, wie viele
Sekunden bleiben, das rettende Ufer in Form eines Bürgersteiges zu
erreichen.
Von Surinam können einige Regionen unserer Erde wirklich etwas Lernen,
was das Zusammenleben von Kulturen anbetrifft. Die Bevölkerung besteht
aus ca. 50% Afroamerikanern, die seit der Abschaffung der Sklaverei, nicht
mehr in den Plantagen der Weißen arbeiten wollten. Daher wurden neue
Arbeiter aus Indien und Indonesien herbeigeschafft, die mittlerweile die
anderen 50% der Bevölkerung ausmachen. Vier große Weltreligionen sind in
Surinam durch diese multikulturelle Gesellschaft hier vertreten: Moslems
(Indonesier und einige Inder), Hindus (Inder), Christen (Afroamerikaner)
und Juden (einige Weiße). Dieser Mischmasch an Religionen und Kulturen
lebt hier nicht nebeneinander sondern miteinander. In Parbo z. B. steht
die Synagoge direkt neben der Moschee und keiner hat damit ein Problem.
Natürlich sind die Surinamesen auf ihre kleine heile Welt gerade in
diesen Zeiten mächtig stolz und meiner Meinung nach haben sie auch einen
guten Grund dazu...
Kulinarisch hat dieser Völkermischmasch natürlich auch paradiesische
Zustände für Gourmets hervorgebracht. Frühstücken auf europäisch mit
gutem Koffie (Cafe) und Schokokuchen, dann einen Chicken-Curry-Sandwich
als Zwischenmahl bevor es Nasi Goreng oder Bami Goreng als
Mittagessen gibt. Nachmittags dann die leckeren Früchte von den Märkten
als Vitaminschocker (Litschis, Bananen, Mangos, Papayas etc.) und abends
von den Holländern Pommes mit Mayo. Na dann guten Appetit.
Von Parbo ging es weiter an der Nordküste Südamerikas weiter in
Richtung Westen, um in das dritte Guyana, das nun auch tatsächlich
einfach Guyana (früher Britisch Guyana) zu gelangen. Der Name Guyana soll
eigentlich von einem Indianerstamm, den Yuyannas abgeleitet sein. Andere
Quellen besagen, dass Guyana "Land des reichlichen Wassers" bedeutet.
Dieser Interpretation stimme ich voll zu, da hier alle paar Kilometer
riesige Ströme bei der Reise nach Westen zu überqueren sind. Außerdem
regnet es hier regelmäßig auch in der Trockenzeit, und Guyanas
Hauptstadt ist mit Kanälen (ähnlich wie in Freiburg)durchzogen. Und
schließlich gibt es hier noch den höchsten frei fallenden Wasserfall
(ohne Kaskaden) der Welt.
Auch das dritte Guyana hat mit dem, was man sich unter dem Subkontinent
Südamerika vorstellt absolut nichts gemein. Vielmehr ist das Land von
karibischen Einflüssen geprägt, und ich fühle mich an meine Reise
letztes Jahr durch die Inselwelt der kleinen Antillen stark erinnert. Auch
die "No Problem People" tauchten in Guyana wieder auf. Die erste dieser
Personen war ein etwas makaberer Typ im Moslemgewand und sehr sehr langem
Bart, der sich selbst ständig "Bin Ladin" nannte, und es total cool fand,
einen Ami (ich), der gar keiner war, mit seinem "Terror Ship" (japanischer
Minibus) vom Grenzfluss zu Surinam in die Hauptstadt Georgetown zu
bringen. Zu seinem "Service" gehörte Schwarztauschen von US-Dollar zu
einem echt guten Kurs (wo im Busch soll man auch eine Bank finden), die
gleich mit dem Fahrpreis verrechnet wurden. Danach besorgte er für alle
Nasi Goreng hinter der Grenze zum Essen, und er drängelte so geschickt
mit seinem "Terror Ship", dass wir als erste wieder von der Fähre über
einen weiteren Fluss herunterkamen, und dann in der Pole Position Richtung
Georgetown düsen konnten. Natürlich setzte er mich auch noch genau an
meinem Hotelschuppen ab, den ich mir vorher ausgesucht habe, da er das
finanzielle Budget nicht sonderlich belastet.
Genau dort traf ich dann zum erstem Mal auf dieser Tour so richtige
Touris, die dann natürlich auch noch genau aus Mainz kommen müssen. Per
Email hatten Steffen, Jochen und ich ganz sponti-mässig ausgemacht, uns in
Georgetown, wenn irgendwie möglich zu treffen. Dass dies dann geklappt
hat, war natürlich gut, für die Brauereiindustrie Guyanas und ein harter
Job für einige Barkeeper...
Nach einem Tag trennten sich dann wieder unsere Wege, da Jochen und
Steffen unbedingt den Schildkröten beim Eierlegen zuschauen wollten, und
ich nun langsam landeinwärts touren wollte, um irgendwann mal am Amazonas
in Manaus herauszukommen.
Bis es bei mir weiterging, versuchte ich den Lieblingssport Guyanas
endlich mal zu verstehen. Um es vorwegzunehmen: Beim Cricket Game West
Indies (alle Karibikstaaten) gegen Indien war ich zwar physisch anwesend,
doch ich raffte nicht gerade viel. Außerdem kam ich mitten im Spiel erst
an, da diese Verrückten doch tatsächlich von 9.30 bis 17.30
durchspielen. Wer gewonnen hat? Keine Ahnung! Obwohl zahlreiche
Guyana-Fans mir versuchten, irgendeine Logik bei diesem Spiel zu
zeigen. Vielleicht könnt Ihr mir ja weiterhelfen. Auf jeden Fall war das
Spiel eh nur Nebensache, denn es gab einen extra DJ der das Publikum
ständig mit guten Beats einheizte, und die Stimmung zum Kochen brachte.
Doch die Stimmung artete nur in eine grenzenlose Party aus, ohne dass auch
nur eine Person irgendwie aggressiv wurde. Tja, andere Länder andere
Sitten. Hooligans gibt es hier einfach nicht, dazu sind die Leute einfach
viel zu locker drauf...
Am nächsten Tag ging es dann wieder on the road bzw. ON AIR, denn in
Guyana kann man viele Gegenden weder mit dem Boot (zu viele Wasserfälle)
noch mit dem Auto (keine Strassen, zu viel Wald) erreichen. Daher gibt es
das gute alte Flugzeug. Doch hier läuft das Fliegen etwas anders ab, als
wir es kennen. Die Maschine vom Typ Briten Norman Islander hatte lediglich 9
Sitze, wobei eigentlich 10 Passagiere mitkommen hätten können, da der Sitz des
Co Piloten leer blieb - drastischste Sparmaßnahme? - keine Ahnung. Die
Maschine kann nur 65 Gallonen Treibstoff tanken, dies sind rund 250 Liter
oder 200 kg. Daher werden schon mal ein paar Kerosinfässer hinten in den
Gepäckraum verladen. Gefahrgutverordnungen gibt es hier wohl eher
nicht. Übrigens verbraucht ein Airbus A320 schon 200 kg Kerosin, um
überhaupt mal zur Startbahn zu rollen. Mit 90 Knoten etwa 160 km/h
flogen wir dann über den Regenwald Guyanas. Vor dem Abflug aber
mussten allerdings erstmal alle Passagiere gewogen werden. Die Resultate waren vor allem für
die weiblichen Passagiere sehr schockierend gewesen. Handgepäck wurde auch gewogen und bei einer Freigepäckgrenze von 25 lbs. etwa 12
kg, musste ich doch für sage und schreibe 38 lbs. Übergepäck zahlen (20
US$). Die Tatsache, dass hier so exakt gearbeitet wurde, hatte in mir erst
mal ein gutes Gefühl ausgelöst. Auch der Start war eigentlich echt
lässig. Dumm nur, dass wir genau in eine Gewitterfront herein geflogen
sind. Der Regen und die Wolken durchschüttelten das Flugzeug wie ein
Mixer einen Wodka Martini, und als es begann, ins Flugzeug hereinzuregnen,
fing ich langsam an, mir so meine Gedanken zu machen. Als es dann auch
noch blitzte wollte ich nur noch heil wieder rauskommen. Für Leute
mit Flugangst war dies eine richtige Schocktherapie gewesen.
Ich machte mir zwischen Hoffen und Bangen, dann Gedanken, wie ich den
Rück- bzw. Weiterflug irgendwie verhindern könnte, denn ich hatte keine
große Lust mehr, falls ich denn überhaupt heil lande, noch mal mit dieser
Kiste zu fliegen. Das Einzige was mich irgendwie beruhigte, waren die
anderen Passagiere, die z. T. sogar schliefen! Der Pilot hinter dem ich
unmittelbar saß, machte seine Aufzeichnungen während des Gewitters, als
ob er einen Lottoschein ausfüllen würde, und zum Glück funktionierte
wenigstens das GPS-Gerät, mit dem die Maschine ausgestattet war. Und
plötzlich war alles vorbei. Flogen wir die ganze Zeit durch Wolken in
einer Höhe von 6800 Fuß (ca. 2.200 m ) - mehr lässt die nicht vorhandene
Druckkabine nicht zu - wurde es immer heller und dann war mein Ziel auch
schon erkennbar:
Die Kaieteur Wasserfälle, die wie gesagt, die höchsten der Welt ohne
Kaskaden sind, wurden durch die Wolkendecke sichtbar.
Der Pilot flog auch
noch extra eine Schleife, damit jeder dieses herrliche Naturschauspiel von
oben genießen konnte. Rundherum nur Regenwald und ein mäandernder
Fluss, der plötzlich in einer Stufe von 800 Fuß von einem Hochplateau in
die Tiefe stürzt. Der Airstrip und 3 Häuser waren die einzigen Zeugen
von Zivilisation in diesem Gebiet. Ich war natürlich der Einzige der hier
ausstieg, die anderen Mitflieger hatten natürlich besseres zu tun, als
sich mitten im Regenwald absetzen zu lassen. Doch so ganz alleine war ich
nun auch nicht, denn schließlich gibt es Paul, den indianischen Ranger,
der in einem "Guesthouse" direkt an den Fällen für den Fall ausharrt,
das so jemand wie ich, mal hier vorbeischaut.
Wie die Story weitergeht... Schauen wir mal... Ich muss jetzt mal langsam
was zu Essen fassen, denn meine Fingermuskulatur ist mittlerweile vom
Tippen ganz schön beansprucht...
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