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Paramaribo – Surinam, 8. April 2002
Fi-go de Surinam!!!
Ich hoffe, Ihr habt die letzten Ostereier endlich gefunden und genießt
die ersten Sonnenstrahlen im langsam erblühenden Deutschland. Mir war
dieses Wetter allerdings viel zu trocken und angenehm, deshalb habe ich
mal wieder die Flucht nach Süden ergriffen. Doch statt angenehmen
Sonnenstrahlen erblickte ich graue Wolken und heftigen Platzregen!
La Guyane vous souhaite la bienvenue!!! Endlich kann ich mir vorstellen,
dass in Cayenne echt ätzendes Klima herrscht: 30 Grad und 100%
Luftfeuchtigkeit, so dass man ständig gegen eine Mauer aus warmer
Feuchtigkeit läuft. Diese klimatischen Bedingungen haben aber zweierlei
Vorteil: Null Touris und viel tropischer Regenwald mit den hübschesten
Blumen und Hiking Trails, die man ganz alleine entdecken kann. Das Fehlen
der Touris macht es allerdings verdammt schwer, hier irgendwie zu
rechtzukommen. Keine Hotels, keine Busse, keine Internetcafes, und irgendwie
ist man für die wirklich freundlichen Einheimischen die totale
Attraktion, wenn man mit dem Rucksack durch die Strassen von Cayenne
dackelt. Allerdings wird man hier dadurch auch nicht abgezockt, wie in
bekannten Touristenregionen. Die Taxifahrer runden z. B. großzügig die
Tarife nach unten ab. Fragt man einen Einheimischen nach einem Hotel,
guckt dieser Hilfe suchend um sich, und fährt Dich mit dem Pick up solange
durch den Regen,
bis man doch was gefunden
hat.
Kourou ist wirklich ein space-iges Riesendorf, denn bevor hier Raketen
abgeschossen wurden, schoss hier höchstens mal einer eine Dose Heineken
auf Ex herunter. Das alte Kourou besteht lediglich aus ein paar Hütten.
In den 1960er Jahren wurden dann Plattenbauten
hochgezogen, um für die Arbeiter Unterkünfte bereitzustellen. Das ganze
erinnert ein bisschen an einen tropischen Mainzer Lerchenberg. Die neueren
Neubaugebiete sind wesentlich attraktiver und wegen der anscheinend hohen
Kaufkraft gibt es hier auch Plattenbauboutiquen der nobelsten Haute
Couture, wie in Paris.
Das Centre Spatial Guyanais (CSG) wie der Weltraumbahnhof offiziell
heißt, wurde in Kourou aufgebaut, da er optimal gelegen ist: Die Nähe
zum Äquator ist dabei besonders wichtig um die optimal Schubkraft zu
erreichen. Das Kennedy Space Centre z. B., in Florida gelgen, hat durch die
nördlichere Lage rund 20% an Einbußen bei der Schubkraft. Dadurch kann
weniger Nutzlast bei einem Abschuss mitgenommen werden. Außerdem kann bei
dem Abschuss glücklicherweise nicht viel schief gehen, da alle Abschüsse
einer Route um den Äquator nach Osten folgen und da lediglich Meer ist.
(Ganz Guyana, das so groß ist wie Portugal, hat weniger Einwohner als
Mainz). Zur Zeit werden zwei verschiedene Raketen hier abgefeuert: Ariane
4 und Ariane 5. Bei Ariane 5 ist die Abschussrampe fast nicht mehr
existent, um bei einer Explosion der Rakete, wie 1996 bereits geschehen
(teuerstes Feuerwerk der Welt), nicht 3 Jahre abwarten zu müssen, um eine
neue Abschussrampe fertig gestellt zu haben. Diese Raketen werden
erst hier in Kourou zusammen gebaut.
A propos Euro! Hier ist man natürlich total Stolz, dass auf den
Euroscheinen Französisch. Guyana als Teil der Eurozone auf dem Schein abgebildet
ist (Rückseite des Scheins neben dem Omega. Die anderen Tupfer sind
Guadeloupe, Martinique und Reunion). Es ist schon ein komisches Gefühl, die
Leute hier im tiefsten Dschungel mit Euroscheinen bewaffnet auf
Einkaufstour gehen zu sehen. Übrigens wir hier alles noch in Französischen
Francs kalkuliert und dann lediglich in Euro umgerechnet. Dann kommt es
allerdings auch zu keinen versteckten Preiserhöhungen wie wohl in
Deutschlands Kneipen geschehen...
Den Menschen in Französisch Guyana scheint es im Durchschnitt doch relativ gut zu
gehen. Es gibt kaum Papphütten und Bettler. Da macht die Hilfe der EU
doch Sinn: Viele Projekte sind direkt aus Brüssel gesponsert. Außerdem
haben sich schon einige Wohlstandsgewohnheiten hier eingeschlichen, die
ich aus anderen tropischen Regionen überhaupt nicht gewohnt bin:
Autowaschen zum Beispiel wird mit äußerster Passion von Freitag mittags
bis Sonntag abends betrieben. Dafür muss an anderen Ecken gespart werden,
indem anscheinend alle Sammeltaxis nur einen Scheibenwischer für den
Fahrer haben. Der andere Scheibenwischer wurde aus Kostengründen
abgeschafft...
Die historischen Bauwerke haben mehr oder weniger alle mit
dem Status als Gefangenenlager der Franzosen bis ca. 1950 zu tun.
Dreyfus und Papillon waren die bekanntesten Gefangenen in dieser
klimatischen Hölle, nachdem sie nach einer 20-tägigen "Kreuzfahrt" aus
dem Mutterland hierher kamen. Die Gefängnisse, die noch sehr gut erhalten
sind, vermitteln einen realistischen Eindruck, unter welchen Umständen
hier gelebt werden musste. Die meisten der Gefangenen sind dementsprechend
auch nicht mehr lebend von hier weggekommen. Heute werden die Bauwerke von
Totenkopfäffchen und murmeltierartigen Viechern bewohnt und erinnern eher
an einen Zoo als an ein Gefängnis.
Ich konnte Französisch Guyana ohne Probleme als freier Mensch anders als Dreyfus
heute über den Maroni Fluss, der sicherlich dreimal so breit ist wie der
Rhein, in Richtung Surinam verlassen, von wo Euch diese Mail erreicht. War
in Franzöisch Guyana noch alles frankophon ausgerichtet, fühle ich mich nun
eher wie in Holland, obwohl es schon etwas strange ist, Afroamerikaner und
Indonesier, die hier die Hautfarbenpalette dominieren, Holländisch reden
zu hören. Das coole aber ist, dass viele Surinamesen mein Deutsch eher
verstehen als Englisch, da sie in der Schule Deutsch gelernt haben. In
Surinam gibt es ebenfalls überhaupt keine Touris und
dementsprechend ätzend ist es hier überhaupt etwas touristisches
anzustellen. Mal gespannt, ob ich das auf die Reihe kriege. Ich wünsche
Euch viel Spaß beim ersten Bier im Biergarten, in den ich mich jetzt auch
mit einem kühlen Parbo Bier zurückziehen werde.
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