| Leh, 29. Juni 2011 Julee... ...kann auf Ladakhisch vieles heissen, z. B. "Hallo" und so gruesse ich Euch 
heute aus dem indischen Himalaya. Nach drei Jahren Abstinenz vom Subkontinent 
der krassen Gegensaetze war die Sucht nach "Bahrat", wie die Inder ihr Land 
nennen, nun doch so gross, dass es uns jetzt wieder mal gen Chaos pur zog. Der Spiegel titelte letzte Woche "Ploetzlich und erwartet" zur  Euro Krise 
und so koennte man auch einen Aufenthalt in Indien betiteln. Das fing schon im 
Flieger nach Delhi an, da die Economy Class relativ voll, die Premium Economy 
aber leer war: Ploetzlich und erwartet liess sich nach dem Essen eine Inderin 
ohne zu fragen in den bequemeren Sesseln nieder und war erst nach Intervention 
der Crew wieder dazu zu bewegen, sich in die Holzklasse zu begeben.  Nach der Ankunft standen alle Passagiere gemeinsam in der Schlange vor den 
Einreisebeamten. Ploetzlich und erwartet fasste eine Hand den Wartenden vor uns 
von hinten an, doch mal weiter zu ruecken, obwohl eine gelbe Linie genau 
festlegte, bis wohin sich die Schlange bewegen durfte. Und ploetzlich und 
erwartet war auch meine Begegnung mit dem Wischmob in der Flughafentoillette von 
Delhi Airport, die blitzblank war. Schliesslich wartete der Wischmann direkt vor 
der Tuer und sobald jemand aus der Toillette trat, war seine Zeit mit dem Mob 
gekommen. So sass ich auf der Toillette und neben mir wurde gewischt und auch 
unter der Abtrennung hindurch bis zu meinen Schuhen. Ploetzlich und erwartet 
eben...  Plötzlich und unerwartet auch das Qutab Minar - islamische Architektur in Delhi
 Dass sich Indien gerade in einer aeusserst interessanten Phase befindet, 
zeigte sich bei unserem eintaegigen Zwischenstopp in Delhi. Extreme Armut der 
fuenften Welt trifft hier direkt auf den Luxus der ersten Welt. Alleine schon 
die Taxifahrt mit einem verbeulten Gefaehrt, das sicherlich wesentlich aelter 
als ich selbst war, vorbei an Papphuetten in die Satelitenstadt Gurgaon auf 
einer Autobahn mit Mautstelle zeigte innerhalb von ein paar Minuten diesen 
Gegensatz. Auch die Fahrt mit der Fahrrad- oder Autorikschah zur hypermodernen 
Metro war irgendwie bizarr.  In der U-Bahn fand sich dann auch ein extrem bizarrer Strafenkatalog: Spucken 
200 Rupien Strafe (65 Rupien = 1 EUR). Das Schwarzfahren war extrem billig mit 
50 Rupien plus maximaler Fahrpreis von 30 Rupien - aber das Schwarzfahren war 
dank moderner Passierschleusen auch gar nicht moeglich. Guenstig war auch die 
Strafe fuer das Fahren auf dem Dach mit 50 Rupien! Welche Strafe einem Touri 
eher erwarten koennte, ist das unerlaubte Fahren im "Women Car" mit 250 Rupien. 
Regt man sich dann vor einem Offiziellen mit Schimpfworten auf, wuerde dies die 
Top-Strafe von 500 Rupien kosten. Uebrigens koennte man auch die 50 Rupien 
Schwarzfahr-Strafe alternativ im Gefaengnis absitzen. Allerdings bekam ich nicht 
raus, wie lange man dafuer einsitzen muesste.     Indische Touristen am Qutab Minar
 Nach einem Tag Metrofahren ohne Strafe aufgebrummt zu bekommen, ging fuer uns 
die Reise weiter. Zur sehr unchristlichen (und sicherlich auch sehr 
unhinduistischen) Zeit um 6.30 Uhr morgen (3.00 Uhr MESZ) nahmen wir den 
Spaetflieger (der andere hob um 5.45 Uhr ab) nach Leh. Der Grund warum die 
Flieger so frueh morgens unterwegs sind, liegt am Wetter unseres Zielorts. Leh 
liegt im Indus-Tal zwischen zwei Gebirgsketten im indischen Himalaya im 
Grenzgebiet zu Tibet und Pakistan. Da das Wetter tendenziell morgens am 
stabilsten ist und die Piloten nach Sichtflug direkt zwischen den Felsen den 
Flieger auf den Boden setzen, hatten wir keine Alternative, denn ueberland in 
ca. 4 bis 5 Tagen auf 3.600 Meter hinauf mit einem indischen Bus zu aechzen war 
fuer uns keine Alternative... So nahmen wir den einstuendigen "Aufzug" hinauf aus der unertraeglichen Hitze 
Delhis in die nicht weniger heisse Himalaya Provinz Ladakh. In Leh angekommen 
trafen uns drei Faktoren: Die Hitze folgte uns hierher, die Sonne strahlte im 
wahrsten Sinne des Wortes und das Hochbeamen von 0 auf 3.600 Meter fuehlte sich 
sehr rauschartig an. So hiess es fuer uns erstmal ausruhen und sich wirklich mal 
aklimatisieren - dank der Hoehe kamen wir aber auch erst gar nicht auf den 
Gedanken am ersten Tag viele Schritte zu gehen. Vielmehr mussten wir uns auf die 
Atmung konzentrieren, denn man bekam permanent das Gefuehl, nicht genug Luft zu 
bekommen, was insbesondere beim Einschlafen ein sehr existenziell bedrohendes 
Gefuehl sein kann. Nach ein paar Tagen war dieses Atemproblem dann vorbei und 
ich konnte sogar anfangen mal ein paar Bilder zu machen oder Notizen 
aufzuschreiben oder sogar endlich die herrliche Landschaft um Leh herum zu 
entdecken.   Blick auf Leh
 Die Stadt befindet sich inmitten einer Oase aus Gruen. Ringsrum liegen 
Gebirgsketten, nur vom Industal durchzogen. Die Berge sind alle vegetationslos 
und wuestenbraun. Die hoechsten Gipfel sind schneebedeckt und das Blau des 
Himmels erscheint schon manches Mal fast schwarz. Innerhalb von der Oase Leh 
kann man wunderbar an den von Lehmziegelmauern abgegrenzten Feldern auf kleinen 
Pfaden entlang laufen und so dem indischen Verkehrschaos entgehen. Denn obwohl 
die Ladakhis aussehen wie Tibeter mit ihrer braunroten Haut und den asiatischen 
Gesichtszuegen ist Leh vom Verkehr her sehr indisch. D.h. es wird dauergehupt, 
der Linksverkehr ist optional und die Kuehe omnipraesent. Die Hoehe schien auch 
die Tiere zu besonderen Hoechsleistungen anzutreiben, denn diese blockierten 
ploetzlich die gesamte Fahrbahn und liessen sich beim Paaren auch durch den 
dauerhupenden Inder nicht stoeren.  Ladakh gehoert kulturell eigentlich eher zum benachbarten Tibet als zum 
indischen Subkontinent. Die politischen Spiele des letzten Jahrhunderts sorgten 
dafuer, dass diese Region zwischen Pakistan, Tibet (China) und Indien aufgeteilt 
wurde. Dadurch ist das Essen in Leh ein Traum, denn die indische Kueche mit 
ihren leckeren Curries wird hier durch ladakhische Gerstensuppen und tibetische 
Koestlichkeiten wie Momos (Teigtaschen) und den Buttertee ergaenzt. Dieser gibt 
einem genug Kraft z.B. zwischen zwei Stromausfaellen mal in die Tasten zu hauen 
und Euch ein wenig von dieser Region zu berichten. In diesem Sinne sage ich 
jetzt mal "Julee" denn "Julee" heisst im Ladakhischen auch so viel wie "Auf 
Wiedersehen"! |