|   | 
 
 
 
 
 Leh, 4. Juli 2011 Julee... ...mal wieder aus Leh, da dies der einzige Ort in Ladakh ist, der innerhalb 
von 24 Stunden mal wenigstens ein paar Stunden Strom und dann wenn alles glatt 
läuft auch Internet hat. Mein Handy hat hingegen die Höhenkrankheit und empfängt 
rein gar nichts. Auch sonst ist der Alltag fuer den mitteleuropäischen Touri manches Mal sehr 
anstrengend. An Bargeld über einen Bankautomaten zu kommen will z. B. gut 
geplant sein. Vor der State Bank of India, der einzigen Bank, die eventuell 
nicht indische Karten akzeptiert, war die Schlange am Montag Morgen "den 
Umstaenden entsprechend" relativ kurz - im Vergleich zum vorausgegangenen 
Wochenende. Daher hiess es die Situation beim Schopf zu packen und sich 
anzustellen. Nach ein paar Minuten in der prallen Sonne an einer Hauswand merkte 
ich, dass sich nur Inder anstellten. Die Damen des Subkontinents bildeten eine 
unsichtbare "Priority Lane" und rauschten an der Maennerschar direkt vor die 
Tuer des Geldautomaten. So wurde die Schlange vor mir kaum kuerzer hinter mir 
jedoch noch wesentlich laenger. Immer wieder erwischte ich mich beim 
durchzaehlen, wieviele Koepfe noch vor mir in der Sonne auf Bares warteten und 
insgeheim hoffte ich auf eine "frauenlose" Gesellschaft, denn bei jeder Dame, 
die auf dem Gehweg vorbei lief, bestand die "Gefahr" dass dieser ploetzlich 
einfiel, mal schnell ein paar Rupien abzuheben. Leider kam es immer wieder zu 
dieser Situation, so dass ich nach zirka 30 Minuten endlich vor dem Automaten 
stand, sicherlich genauso "suechtig" wie in Las Vegas die Zocker vor dem 
einarmigen Banditen. Mein "Bandit" wollte zunaechst die Mastercard nicht. Als er 
auch die Maestrocard nicht wollte, war ich schon etwas verzweifelt. Aber ich gab 
nicht auf und stopfte ein ums andere Mal die Plastikkarte in den "Banditen" 
hinein und irgendwann beim 4. Versuch erbarmte sich der und fragte nach der PIN. 
Danach gab ich den gewuenschten Betrag von 10.000 Rupien (153 EUR) ein - ein 
grobes Vergehen, denn es gab wieder eine Fehlermeldung. Aus Delhi wusste ich, 
dass es am dortigen Geldautomaten nur Betraege bis 4.000 Rupien zum Waehlen gab. 
Daher versuchte ich es aufs neue, denn hier in Leh gab es keine voreingestellten 
Betraege - also tippte ich dieses Mal 4.000 Rupien ein und der Automat hatte ein 
Erbarmen mit mir! Vom Glueck beseelt versuchte ich es nochmals und bekam gleich 
darauf hin ein weiteres Mal 4.000 Rupien ausgezahlt - Incredible India!  Blick auf die Umgebung von Leh
 Unglaublich schoen ist auch die Landschaft, die Leh umgibt. So entdeckten wir 
Ladakh, das auf Deutsch "Land der hohen Paesse" heisst, per Pedes auf einer 
4-Tagestour, die uns ueber den Stok La, einen dieser hohen Paesse mit 4.875 m, 
fuehren sollte. Da wir unser Gepaeck nicht komplett alleine schleppen wollten, 
machten wir aus dieser Tour eine kleine "Expedition" mit Bergfuehrer Jigmed, der 
im Wintersemester Politologie weit weg von Leh studiert, mit Sanzea Sherpa einem 
Koch aus Nepal, der in der ladakhischen Hochsaison Touris wie uns mit leckerem 
Essen abseits von jeder Kueche versorgt und einem "Horseman" dessen Namen ich 
ueberhaupt nicht schreiben kann, der aber mit seinen beiden Pferden und den drei 
Maultieren dafuer sorgte, dass wir jeden Abend unser Gepaeck hatten. Natuerlich 
hatten wir unsere Bedenken, mit Tieren auf eine Wandertour zu gehen, aber die 
Ladakhis nutzen Vierbeiner seit je her zum Transport, Traeger gibt es anders als 
bspw. in Nepal oder Tansania hier nicht und die Tiere sahen wohlgenaehrt aus und 
wurden auch nicht ueberladen. Schliesslich kann ein Pferd hier unbedenklich 40 
kg und ein Maultier 20 kg tragen - Gewichte, die nach meiner Einschaetzung 
deutlich unterschritten wurden. Ueberhaupt scheinen die Leute hier mit ihren 
Tieren einigermassen gut umzugehen. Die Hunde haben nie Angst vor Menschen, die 
Kuehe erlauben sich sowieso alles, zum Beispiel Mittelstreifen-Laufen, und fuer 
Esel gibt es mittlerweile sogar eine Aufpaeppelstation, die von Spendengeldern 
lebt und die wir gerne unterstuetzt haben.  Esel-Aufzucht in Leh
 So zogen also zwei Deutsche, zwei Ladakhis und ein Nepali-Gastarbeiter sowie 
zwei Pferde und drei Maultiere gemeinsam in die Berge suedlich von Leh. Der 
Fuehrer ging mit uns voran, Horseman, Koch und die fuenf Lasttiere zogen 
hinterher. Bis auf den ersten Tag ueberholte uns der Lastzug immer irgendwann im 
Laufe des Tages. Am ersten Abend aber erreichten wir in einem engen Tal den 
"Campingplatz" zuerst. Dort stand eine "Dhaba" ein Teezelt in dem es auch 
"Godfather" Bier gab, das laut Angaben auf dem Etikett "zwischen 5 und 8 Prozent 
Alkohohl" enthielt - ein weiterer Grund, vom Gerstensaft in Indien einfach mal 
fern zu bleiben - Incredible India! Der Platz war terrassenförmig angelegt - ein 
Privileg, das wir erst in den Folgenächten schätzen lernten, da wir in diesen 
permanent bergab im Laufe der Nacht bergab rutschten, mal im mal mit dem 
Schlafsack. Nach einem Tee in der Dhaba und einer Stunde Warten kamen der 
Lastzug an. Die Tiere warteten geduldig, bis sie entladen wurden. Danach kam es 
zu einem Tier-Tanz der besonderen Art: Die Viecher schmissen sich ins Stroh und 
purzelten durch die Gegend, um den Schweiss und eventuelle Parasiten los zu 
werden. Einmal ausgetobt erhielten sie ein Festmahl in Form von Hafersaecken, 
die ihnen um die Mäuler umgebunden wurden. Nachdem das Küchenzelt aufgestellt 
war, schlug die Stunde des Kochs: Dieser tischte jeden Abend ein 3-Gänge-Menu 
auf unter der Premisse ja keine Speise während dieser drei Abende zweimal auf 
den Speiseplan zu setzen. Er backte während der Nachmittage sogar Chapatis, 
Papads und am Abschlussabend einen Kuchen! Nachdem Tier und Mensch gestärkt 
waren, ging es um halb neun Uhr abends nach dem Sonnenuntergang ins Bett. Obwohl 
Indien ja als tropisches Land gilt, merken wir hier die langen Sommernächte, die 
Ihr gerade geniesst, auch ein wenig. Schliesslich liegt Ladakh etwa auf der Höhe 
von Ägypten oder Marokko - also gar nicht so weit südlich vom besten 
Fassenachtsverein der Welt!  Wanderung am ersten Tag durchs Tal des Indus'
 Am nächsten Tag ging es durch eine enge Schlucht weiter bergan. Manche von 
Euch haben vielleicht vom Hochwasser, das letztes Jahr Ladakh erwischte, gehört 
- das Hochwasser in Pakistan stand allerdings weit mehr im Blickpunkt der 
Medien. In einer einzigen Nacht fiel in einer Stunde so viel Regen wie sonst in 
mehreren Monaten nicht. Das Wasser wurde von der trockenen Erde ueberhaupt nicht 
aufgenommen und schoss in ganz Ladakh einfach bergab. So wurden in einer Stunde 
viele Bruecken, Stromverbindungen und auch viele Menschenleben (ca. 100) 
zerstört. Wir konnten auf unseren Wanderungen auch ein Jahr nach dem Unglueck 
noch viele Zerstörungen erkennen. Wir wanderten ständig ueber Holzplanken an 
diesem Morgen, die die Bruecken ersetzten. Die Strommasten standen zum Teil auch 
nicht mehr - die Kabel waren komplett verschwunden. Nach ein paar Stunden kamen 
wir an einem Weiler vorbei, der eigentlich nach der Katastrophe ohne Strom zu 
sein schien. Doch die Bewohner nutzten Solaranlagen und hatten trotz der 
Katastrophe Strom. Ueberhaupt wird hier auch langsam auf Nachhaltigkeit gesetzt: 
Die Landfrauenkooperative bietet uns Touris zum Beispiel abgekochtes Quellwasser 
an, um endlich diese Flut an Plastikwasserflaschen einzudaemmen. Wer schon mal 
seine Klamotten in Indien zum Reinigen gab, weiss, dass aus einem roten Stoff 
schnell ein rosa Tuch werden kann, da hier auch der Farbstoff gleich 
weggeschrubbt wird. Die Landfrauen wissen dies und nutzen nicht mehr so 
aggresive Reinigungsmittel und leiten das Abwasser auch nicht mehr zurueck in 
Fluss. Ausserdem gibt es mittlerweile Bio-Aprikosen-Marmelade, -Öl und 
-Trockenfruechte zum Kaufen. Und selbst die Dosen werden hier recht sinnvoll 
weiter genutzt: Da alle Viecher hier als freilaufend zu bezeichnen sind, nagen 
Kuehe, Esel, Yaks, Schafe etc. gerne an den Bäumen der Bauern rum. Diese 
stuelpen nun alte Cola-, Suppen- und andere Blechdosen um die Staemme der 
Baeumchen und somit sind diese vor den Tieren geschuetzt - Incredible India!  Nachhaltigkeit Made in India
 Am Abend des zweiten Wandertags nächtigten wir "zwischen 4.000 und 5.000 
Metern" - eine wahrlich zuverlässige Aussage unseres Bergfuehrers! In Indien 
raeumt man nicht nur dem Alkohl im Bier sondern auch den Hoehenangaben eine 
gewisse Toleranz ein. Nun ja wir merkten, dass wir ganz schön hoch oben pennen 
wuerden, denn wir bekamen wieder richtig Kopfschmerzen. Diese konnte man immer 
recht schnell durch Fluessigkeitsaufnahme reduzieren, doch wer bei Temperaturen 
um den Gefrierpunkt sich einmal in den Schlafsack eingemummelt hat, möchte am 
Liebsten erst morgens wieder um halb sieben von der Crew mit einem Nescafé oder 
Chai (ind. Tee) geweckt werden und nicht zwischenzeitlich den Gang aufs 
Plumpsklo mitten in der Nacht antreten. So galt es auszutuefteln gerade so viel 
Wasser zu sich zu nehmen, um die Kopfschmerzen auszuhalten aber noch keinen 
Harndrang hervorzurufen. Eine Tueftelei, die mir gluecklicherweise immer 
gelang...  Lager nach Abschluss des zweiten Wandertags
 Am Morgen des dritten Tags machte dann der Himalaya seinem Namen alle Ehre, 
denn uebersetzt bedeutet dieser Gebirgsausdruck nichts anderes als "Heimat des 
Schnees" und es fing an zu schneien. Wer Schnee im Juli haben möchte, fährt also 
einfach mal nach Nordindien - Incredible India! Nach drei Stunden Aufstieg 
hatten wir dann den Stok La, laut deutschem Reisefuehrer 4.875 m hoch, erreicht. 
Die Wanderung durch bizarre Felsformationen und verschiedenartig gefärbte Erden 
fand hier ihren Hoehepunkt mit einem direkten Blick auf die schneebedeckten 
Sechstausender in der naeheren Umgebung. Beim Abstieg trafen wir dann auf 
Steinböcke und viele verschiedene Vogelarten begleiteten uns ebenfalls durchweg 
auf diesem Trek - inklusive der Mainzer Stadttauben, die uns sogar bis auf ueber 
4.000 Meter folgten und den ausgeschiedenen Hafer unserer Lasttiere 
erpickten.  Abstieg vom Stok La (4.875 m)
 Nach einer weiteren Nacht, in der man vom waagrechten Liegen nur träumen 
konnte, erreichten wir am Sonntag Nachmittag wieder die Zivilisation, d.h. 
zunächst die Strasse nach Leh. Wir waren natuerlich heilfroh, dass den Tieren 
nichts passiert ist. Diese boten jeden Abend uns ihre eigene Show, wenn es darum 
ging, als erstes Stroh, Gemuese oder Hafersaecke zu bekommen. Auch die 
Liebkosungen der Tiere untereinander waren recht amuesant und einer Daily Soap 
absolut wuerdig. Nach einem kurzen Jeep-Trip zurueck nach Leh, stellte sich das 
angenehme Gefuehl ein, gleich eine heisse Dusche und eine richtige Toillette 
aufsuchen zu koennen. Was sind wir doch fuer Weicheier und ein wenig abhaengig 
von solchen Errungenschaften unserer Zivilisation! Aber egal - die vier Tage 
ohne diese Produkte haben wir genossen und koennen Euch eine Trip durch Ladakh 
nur empfehlen - auch wenn ich dafuer die Einweihung des neuen Mainzer Stadions 
nur durch Photos mitbekommen habe... |