Mainz, 18. April 2018
Könnt
Ihr Euch noch an diesen
Claim erinnern? Dieser stammt von dem Rüsselsheimer Autobauer,
dessen Name am Stadion am Europakreisel prankt. Wieso kam es zu
diesem Werbespruch? Das Unternehmen galt als bieder, muffig und
unkreativ - und wollte weg von diesem Image. Visuell sollte Kloppo
mithelfen, dass dieses Umdenken bei den Autokäufern tatsächlich
stattfindet.
Ich
weiß nicht, ob diese Werbekampagne tatsächlich von Erfolg gekrönt
war, wenn ich heute in der einzig verbliebenen Mainzer Tageszeitung
lese, dass die Verträge mit allen Vertragshändlern gekündigt und
neu verhandelt werden. Doch die Idee, mal gewohnte Klischees zu
überdenken, halte ich für sehr gut. Und da ist der eine oder andere
Journalist herzlich eingeladen mitzumachen.
Die berühmte Klatschpappe fand ihren Einsatz...
Man
kann ja für Montagsspiele sein. Schließlich sind die Vereine Mainz
05 und SC Freiburg auch bei der entsprechenden Abstimmung dafür
gewesen. Man kann den Protest gegen Montagsspiele schlecht finden.
Schließlich gibt es einen entsprechenden Fernsehvertrag, der bis
2021 die aktuelle Regelung von fünf Spielen am Montag pro Saison
vorsieht und daran wird sicher nicht gerüttelt. Man kann es
kontraproduktiv finden, die eigene Mannschaft in so einem wichtigen
Spiel nicht in der gewohnten Art und Weise verbal zu unterstützen.
Schließlich unterstützten die Fans der restlichen 16 Vereine an
diesem Spieltag von Freitag bis Sonntag ihre Teams trotzdem. Man kann
das Pfeifen über 90 Minuten unerträglich, die Klatschpappen für
unsäglich und das Werfen von Klorollen für kindisch halten. Gründe
habe ich ja oben genannt.
Allerdings
sollte man sich als Journalist auf jeden Fall und auch gerne als
Kommentator-Troll in den sozialen Netzwerken noch ein paar weitere
Gedanken machen, bevor man mit den Fingern auf der Maus ausrutscht
oder seine Meinung per Videobotschaft in die Welt sendet.
Die
Kritik für den Protest ziehen spätestes seit Dienstag Nachmittag
einzig und alleine die Ultras (wahlweise nur aus Mainz oder aus Mainz
und Freiburg) auf sich. Wenn man nun schaut, dass beim Einlaufen der
Mannschaften fast 26.000 Zuschauer die schwarzen Klatschpappen „GEGEN
MONTAGSSPIELE“ hochhielten, dann wird das Ultra-Bashing
unglaubwürdig. Oder glauben die Kritiker wirklich, dass es Ultras
gibt, die auf der Haupttribüne sitzen (!) und darüber wachen, dass
die Pappen ja hochgehalten werden?
genauso wie Klorollen...
Auf
den Pappen stand übrigens auch nicht drauf, wer diese entworfen hat.
Woher haben die Kritiker eigentlich die Information, dass das die
Ultras waren? Die verhalten sich doch angeblich so konspirativ, dass
da nichts nach außen dringt. Das übliche „aus gut unterrichteten
Kreisen“ habe ich nirgends gelesen und dass Ultras nicht gerne mit
Journalisten sprechen, ist mittlerweile selbsterklärend. Neben den
Supporters gibt es seit ein paar Monaten die Fanabteilung bei Mainz
05, zwei Organe, die die Faninteressen der Ultras, aber auch aller
anderen Fangruppen vertreten. 26.000 Klatschpappen, hunderte
Klorollen, sehr viele Trillerpfeifen bringt eine Gruppe nicht einfach
so ins Stadion. Das lässt den Schluss zu, dass diese Aktionen von
offizieller Seite vorbereitet worden sind. Und die Pappen wurden von
nahezu jedem Zuschauer zum Protest verwendet.
Und
da sind wir dann beim Umparken im Kopf angekommen: Mittlerweile gibt
es in Mainz eine aktive Fanszene, die sich aus weit mehr Köpfen
speist, als aus der Ultraszene Mainz. Es gibt noch nicht einmal einen
Dauerkonsens innerhalb der Szene. Einzelne Fangruppen positionieren
sich regelmäßig zu aktuellen Themen teilweise auch mit kontroversen
Ansichten. In der Fanszene gibt es kein Meinungsmonopol. Anders als
in der Mainzer Medienlandschaft, wo mittlerweile im Print-Bereich ein
Monopol existiert, und dieses auch genutzt wird, um Stimmung zu
erzeugen - wohlgemerkt nach einem Sieg der Nullfünfer in einem
„Sechs-Punkte-Spiel“. Aber das war ja letztes Jahr bei der
Vorstandswahl schon die gleiche Leier. Aber zurück zum Spiel: Man
kann bald zu dem Schluss kommen, dass hier klammheimlich einige auf
eine Niederlage gehofft haben, garniert nach Möglichkeit mit viel
Pyro - da hätte sich der im Kopf perfekt eingeparkte Text noch
schneller abfassen lassen.
und Vuvuzelas
Aber
bereits im gestrigen Zeitungsbericht besagter Tageszeitung, der nicht
als Kommentar gekennzeichnet war, wurden die ersten verbalen
Giftpfeile abgeschossen: Die Fehler im Spielaufbau wurde aber noch
allgemein den „Fans“ angelastet. Wäre dieser Bericht als
Kommentar abgefasst worden, in dem natürlich ein Journalist seine
Meinung sagen kann, wäre die Chose nicht ganz so krass gewesen. Aber
in einem Spielbericht, der doch eher ausgewogen sein sollte, so
(ab)wertend über die Fans herzuziehen war bereits grenzwertig. Dass
da zwei Mannschaften mit den gleichen Begleitumständen zu kämpfen
hatten, wurde völlig ausgeblendet. Dass der Freiburger Torhüter
womöglich wegen der Begleitumstände den Ball Levin in die Beine
spielte...hat der Verfasser entweder nicht mitbekommen (weil er noch
die Klorollen aufwickelte) oder bewusst weggelassen. Wohlgemerkt
benutze ich das Wort „womöglich“, denn niemand kann den Grund
kennen, warum Schwolow so ein Blackout hatte.
In
dem Spielbericht wird
der Protest als Störfeuer abqualifiziert. Dass solch ein Text genau
ebendies im Verein erreichen kann, ist dem Autor anscheinend egal
oder den Klickzahlen geschuldet und damit sogar gewünscht. Statt
verbal abzurüsten, wurde am Dienstag Nachmittag die allgemeine
Kritik an den Fans nun auf die Ultras fokussiert - Mittels
Videobotschaft und einem Begleittext, der von Selbstinszenierung der
Ultras spricht. Das verspricht wieder garantiert tolle Klickzahlen,
denn mit so ein paar Stichworten wie „Ultra“, „Pyro“ etc.
werden die Kommentartrolle wieder zum virtuellen Leben erweckt. Die
Kritik an den Aktionen fällt unter die Meinungsfreiheit, aber aus
fehlendem Willen zum Umparken im Kopf oder aus purer Lust am
Klickzahlen nach oben treiben, eine Menschengruppe so an den medialen
Pranger zu stellen geht gar nicht. Aber das ist halt auch unsere
Scheinheiligkeit im Fußballgeschäft. Die Sportmedien leben vom an
den Pranger stellen. Spieler werden nach jedem Spiel benotet – ein
Unding sondergleichen. Sollte das nach dem Tod von Robert Enke nicht
alles besser werden? Die Nullfünf Mixed Zone hat auch Spieler
bewertet, aber bewusst auf Noten verzichtet. Viele Sportmedien
lechzen aber nur danach, dem einen Spieler am einen Spieltag in den
Himmel zu loben und am nächsten Spieltag eine „5“ oder „6“
zu attestieren. Und so wurde den „Ultras“ einfach mal eine „6“
mitgegeben und diese praktisch zum medialen Abschuss freigegeben.
A
propos Spieler. Es wurden ausschließlich Spielerkommentare
abgedruckt, die die Atmosphäre im Stadion beklagten. Ein Blick auf
den Instagram Account von Leon zeigt nachkicks folgende
Bildunterschrift: „Amazing support from the fans“. Der Spieler
fand die Unterstützung phantastisch und gedruckt wird schön
ausschließlich das Gegenteil. Mag ja sein, dass es viele Spieler
nicht gut fanden, aber diesen Satz hätte Leon sicher nicht
geschrieben, wenn er nicht auch dahinter stehen würde. Oder
diktieren jetzt auch die Ultras, was Leon zu schreiben hat? Dass ein
Spieler lieber mehrmals montags als in der zweiten Liga (wo er auch
montags spielt) spielt, ist nachvollziehbar. Aber hier interviewt ein
Profi-Journalist einen Fußballprofi. Beide hängen am Tropf der
Bundesliga. Und vielleicht ist es dem einen oder anderen Journalisten
sogar ganz Recht, montags statt samstags oder sonntags zu arbeiten.
Nur für die, die der Profi-Fußball mal gemacht wurde, die Fans, die
sind leider noch keine Profi-Fans, die mal schön das Wochenende
vorglühen können, um dann am Montag Abend im Block steil zu gehen
und den von manchem Journalisten geforderten Support abzuliefern, wie
der Zeitungsbote morgens das frisch gedruckte Printmedium. Proteste
sind ein Bestandteil unserer Demokratie wie die Presse- und
Meinungsfreiheit. Nur sollte man mit diesen immer verantwortungsvoll
umgehen. Die Proteste richteten sich nicht gegen eine spezielle
Gruppe von Menschen, sondern gegen Organe wie DFB oder DFL – die
Kritik gegenüber den Protestierenden allerdings schon.
Den
verursachten verbalen Scherbenhaufen durfte dann Wortpiratin Mara
heute in ihrem Blogbeitrag zusammenkehren. Als gelernte Journalistin
sollte sie vielleicht mal eine Schulung bei manchen Kollegen in
Sachen Fankultur und Demokratieverständnis durchführen - so quasi
als Frühjahrsinspektion, damit das Umparken im Kopf vielleicht doch
noch gelingt.
Rot-weiße Grüße,
Christoph – Meenzer on Tour
|