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Spätlese München Jahrgang 2018/19

  

Mainz, 19. März 2019

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!


01 Hin und weg:

Die Fahrt mit der Bahn nach München verlief wieder einmal recht ereignislos. Vor den Toren der Stadt, quasi einen Steinwurf von der Arena entfernt, befindet sich das schöne Städtchen Dachau. Dieses steht nicht nur für sein Schloss, den dazugehörigen Hofgarten und die hübsche Altstadt, sondern auch für die Gräueltaten im dritten Reich. Zwischen 1933 und 1945 kamen über 200.000 Männer am Bahnhof Dachau an und wurden vor den Augen der Bewohner der Stadt die letzten drei Kilometer in das Konzentrationslager getrieben. Heute kann man als Besucher den „Weg des Erinnerns“ nachgehen. Auf zwölf Tafeln wird die schlimme Geschichte des Lagers erklärt und je näher ich diesem Ort kam, der heute eine KZ-Gedenkstätte ist, desto größer wurde bei mir die Beklemmung.

Einer der Inhaftierten war der heutige Ehrenpräsident des FC Bayern, Kurt Landauer. Er wurde am Morgen nach der Reichsprogromnacht am 9. November 1938 hierher deportiert und für vier Wochen festgehalten – weil er Jude war. Während Landauer 1939 in die neutrale Schweiz flüchten konnte, wurde der jüdische Gründer von Mainz 05, Eugen Salomon, an der Flucht gehindert und nach Ausschwitz-Birkenau gebracht, wo ihn die Nazis 1942 ermordeten. Sowohl beim FC Bayern als auch bei uns war über dieses Schicksal Jahrzehnte nichts bekannt. Es waren die Fans beider Vereine, die vor ein paar Jahren selbst die Recherche in die Hand genommen hatten und schließlich auf die Schicksale von Salomon und Landauer aufmerksam machten. Sie setzten sich auch für eine entsprechende Würdigung beider Personen ein, die ja stellvertretend für Millionen von Naziopfern stehen. Heute gibt es aufgrund des beharrlichen Einsatzes, z. B. der Supporters Mainz, eine Eugen-Salomon-Straße in den Bretzenheimer Feldern und auch in München existiert nun ein Kurt-Landauer-Weg.

Die Bilder des KZ Dachau haben sich in mir eingeprägt: Die Wachtürme, von denen aus Fluchtversuche mittels Schusswaffengebrauch unterbunden wurden, die verbliebenen Baracken, in denen jeweils bis zu 2000 Menschen dahinvegetierten, der riesige Appellplatz, auf dem alle Gefangene morgens und abends teilweise stundenlang stramm stehen mussten, ehe fertig durchgezählt war und die Schikanierungen vorüber waren , das Krematorium mit seiner als „Brausebad“ beschrifteten Gaskammer und die Öfen, in denen die Leichen verbrannt wurden. Wir können das, was dort zwischen 1933 und 1945 passiert ist, nicht ungeschehen machen. Wir können aber dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert und dass das Geschehene nicht in Vergessenheit gerät.


In der KZ-Gedenkstätte Dachau

02 (N)immer nuff:

Über Nacht blieb ich in München im Stadtteil Giesing in unmittelbarer Nähe des Städtischen Stadions an der Grünwalder Straße. In vielen Teilen der Stadt dominiert Blau und das Emblem der Löwen. Ich höre immer wieder mal, dass München „blau“ und das Umland „rot“ sei. Dementsprechend ist der FC Bayern wohl auch der einzige Stadtverein in der Bundesliga – Ho$$enheim ist ja ein Dorfverein, bei dem im Ticket keine Fahrkarte des ÖPNV enthalten ist. Dementsprechend ist das Ticket mit 15 € dann nicht mehr ganz so günstig, wie es allgemein kolportiert wird. Dass es zu Fahrscheinkontrollen in der an Spieltagen stets überfüllten U6 kommt, darf angezweifelt werden und der Anteil der Schwarzfahrer dürfte entsprechend hoch liegen. Natürlich ist für diese Ordnungswidrigkeit jede(r) selbst verantwortlich und Schwarzfahren ist vollkommen unsozial. Aber hier kommt der FC Bayern seiner gesellschaftlichen Verantwortung auch nicht wirklich nach. Schließlich kann so ein Verhalten durch eine Pauschalabgabe an den Münchner Verkehrsverbund abgewendet werden – so wie es fast alle anderen Bundesligisten auch machen. Aber der FC Bayern fühlt sich ja zu einer eigenen Liga hingezogen, in denen solche Aspekte wahrscheinlich gar keine Rolle spielen.

03 Kon-Trolle

Die Kontrolle am Eingang verlief wie in den letzten Jahren: freundlich und kurz, sprich sehr angenehm. Es gab jedoch Zeiten beim FC Bayern, bei denen man als Gast ein bisschen freundlicher begrüßt wurde als an diesem Sonntag Abend der Fall war: Der Fan-Treff „Nord“, der sich direkt unterhalb des Gästebereichs im Bauch der Arena befindet, stand bis letzte Saison allen offen – Heimfans wie Gästefans. Natürlich gab es auch in der vergangenen Spielzeiten Kontrollen und als grölender, volltrunkener Auswärtsfahrer wäre man sicherlich auch vor ein paar Jahren dort nicht hinein gekommen. Dass nun pauschal Gästefans nicht mehr Willkommen sind, ist neu und wiegt schwerer als das Becherverbot im Gästeblock, das wieder aufgehoben wurde.


Willkommensunkultur im Fantreff Nord

04 Kampf um den Mampf

Wie bei uns im Stadion kann seit dieser Saison endlich auch in Fröttmaning mit EC- und Kreditkarte bezahlt werden, so dass die ArenaCard nicht mehr erstanden werden muss. Das Angebot an Speisen und Getränken im Gästebereich, der mal wieder mit Heimfans aus aller Welt aufgefüllt wurde, ist leider sehr austauschbar: Wurst, Brezel, Popcorn sowie diverses Süßzeug für den Hunger und Helles und Weinschorle plus Limos und Wasser für den Durst. Alkoholfreies Bier für Anhänger der Fastenzeit? Gibt es nur fernab des Gästebereichs im Erdgeschoss des Stadions. Obazda etc. gibt es nur im Fantreff, in den man als Nullfünfer nicht mehr hinein darf.


Wurst & Suff, garantiert nicht viel für Vegetarier und Fastenzeitler, die auf Süßkram verzichten wollen

05 Käfighaltung

Rolf beschrieb die Situation im dritten Obergeschoss vorkicks nur allzu treffend: „Ameisenfußball – endlich wieder Ameisenfußball!“ Wahrscheinlich gab es zu viele Beschwerden über diesen „Ameisenfußball“: Schließlich wurde das komplette Spiel inklusive Zeitlupen auf den riesigen Anzeigetafeln unter dem Dach der Arena gezeigt. Es gibt mittlerweile sogar eine Leinwand hinter der Leinwand, so dass man gar nicht mehr auf die Gegenseite blicken muss. Ich gebe es gerne zu, auch ich nutzte den Bildschirm manches Mal, wenn vor mir mal wieder der Doppelhalter hochgereckt wurde. Dementsprechend gilt der Spruch „Fahn‘ nunner, ich seh nix!“ nicht für die Arena in Fröttmaning. Aber ich befinde mich gerne in der Umgebung von Doppelhaltern, Fahnenschwenkern und Capos. Diese wirken so schön aus der Zeit gefallen und passen so rein gar nicht in die Glitzerwelt des FC Bayern, in der Auswärtsfahrer irgendwie nur ein störendes Element in der Vermarktung des Produkts Fußball sind – schade eigentlich.


"Ameisenfußball" in der angeblich ausverkauften Arena in Fröttmaning

Fazit: Der Jahrgang 2018/2019, der einen Tag nach dem 114. Geburtstag unseres Vereins in der Edition „Null 6“ kredenzt wurde, ist, wie es der Name schon sagt, schlicht und einfach unbefriedigend. Zum Wohl!

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

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