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Peking - VR China, 9. Oktober 2006
Ni hao,
bedeutet
„Hallo" und ist Pinyin, die chinesische Schriftsprache in lateinischen
Buchstaben, die es dem Otto-Normal-Nicht-Chinesen rein theoretisch erlaubt, die
Chance zu besitzen in China wenigstens etwas zu lesen – von Verstehen oder
Kommunikation mit den Einheimischen kann nicht die Rede sein.
Da uns die VR
China zurzeit 6 Stunden voraus ist, hat der Jet Lag bei der Ankunft in Mainz
den Vorteil, hier abends totmüde ins Bett zu fallen und mitten in der Nacht
wieder fit wie ein Turnschuh zu sein. Das wiederum bietet die Gelegenheit, Euch
zum Montag Morgen ein paar Impressionen aus Beijing zu schildern.
Der erste
Eindruck beim Marsch aus dem Hotel in Richtung Himmelstempel war sehr
ernüchternd. Die Hutongs, die kleinen, engen, verwinkelten Gässchen der
Hauptstadt haben zum Teil nach der Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2008 in
diese Stadt ihre Daseinsberechtigung im Auge der Olympia-Planer verloren, so
dass große Brachflächen mitten in der Stadt an riesigen 8-spurigen leeren
Boulevards entstanden. Das Ganze war ein Mischung aus Plattenbausiedlung und
plattgemachtem Nichts und erinnerte ein bisschen an den Bauwahn in Dubai, wo
aus dem Nichts irgendwann etwas Großes enstehen soll.
Glücklicherweise
war dieser Eindruck nur eine Momentaufnahme, denn wer auf breite Straßen,
staubigen Himmel und Kräne steht, kann sich eigentlich den Weg nach Fernost
sparen und einfach auf der halben Wegstrecke bei den Scheichs am Golf bleiben.
Die verbliebenen Hutongs, die auf der Außenseite Richtung Boulevards immer mit
einer Mauer versehen waren, werden nun auch für Olympia fittgemacht und
bekommen alle paar Meter öffentliche Toiletten. Beijing wäre sicherlich der
ideale Ort für einen Rosenmontagszug. Breite Straßen, öffentliche Toiletten en
masse und Hort des dosenpfandfreien Biergenusses zu sehr moderaten Preisen.
Diese Toiletten-für-Hutongs-Aktion ist nur ein kleines Beispiel für die große
Hygiene, die mittlerweile in dieser Stadt herrscht. Herumgespuckt wird im
Gegensatz zu anderen asiatischen Ländern praktisch gar nicht mehr, permanent
sind Fege-Kommandos per Pedes oder mit dem Velo im Einsatz, um die Gassen rein
zu halten.
Der schier
unbegrenzte Vorrat an Arbeitskraft äußert sich auch in anderen Bereichen des
Dienstleistungssektors. Den Inhalt aus einer chinesischen
Heinz-Tomaten-Ketchup- Flasche auf den Teller zu bekommen, ist für mich der
schwierigste Teil meines Aufenthaltes gewesen, aber ruckzuck war natürlich die
Bedienung da, um die rote Sauce in quantitativ optimaler Menge auf meine Pommes
gleiten zu lassen. Pommes in Peking? Nun ja, da ich u.a. mit meiner Schwester
unterwegs war, schloss ich natürlich Kompromisse und dazu gehört auch ein
Abendessen im Hard Rock Café zu Beginn der Reise. Danach wurde es kulinarisch
landestypischer und Besteck war fortan ein Fremdwort. Stäbchen war nun hip,
genauso wie Reis in Peking praktisch out ist. Im Nordosten Chinas sind eher
Nudeln das Gericht der Straße. Was wir in Deutschland im China-Restaurant
vorgesetzt bekommen, ist eher die kantonesische Küche Südchinas. Peking-Ente
wird beispielsweise mit hauchdünnen Pfandkuchen in Taco-Größe und einer dicken
Soya-Sauce, die in ihrer Konsistenz an Nutella erinnert, serviert. Man nimmt
den Pfannkuchen und ein Stück Ente sowie Frühlingszwiebeln und Sauce, wickelt
das Ganze zusammen und versucht dieses Gebilde dann mit den Stäbchen in den
Mund zu hieven oder banal mit den Händen in Richtung Rachenraum zu befödern.
Sightseeing
in Beijing bedeutet sich auf ein Loveparade-Erlebnis einzustellen. Die
verbotene Stadt, war allen Massen zugänglich und dementsprechend war auf den
Hauptwegen Stau angesagt. Störe ich mich oft an Touristenmassen, hatte ich hier
eher das Gefühl, das gehöre dazu. Schließlich leben in diesem Land ja mehr als
eine Milliarde Menschen – und die müssen ja irgendwo sein. 99 Prozent der
Touristen waren sowieso Einheimische, so dass ich trotz der Massen mir hier
wohler vorkam als an manch anderer Touristenattraktion, wo wir Europäer uns in
Horden die Füße gegenseitig platt trampeln. Wollten wir entspannen, konnten wir
in einen der vielen Parks der Stadt flüchten und den Menschen bei einer ihrer
Freizeitbeschäftigungen, dem Drachensteigenlassen zuschauen. Natürlich
praktizierten auch viele Menschen Tai Chi, aber meist morgens kurz nach
Sonnenaufgang, so dass ich davon nicht viel mitbekam. In den vielen Tempeln
hingegen fand ich niemanden mehr, der seinem Glauben dort nachging. Das war
neben der stalinistischen Architektur auf dem Platz des himmlischen Friedens
das einzige Zeichen, dass ich mich in einem kommunistischen Land befand.
Stattdessen
huldigen viele Chinesen dem Konsum und von der Güterknappheit aus den
ehemaligen Ostblockstaaten bekam ich nichts mit. Stattdessen gab es Waren im
Überfluss in riesigen Shopping-Malls, in denen die Waren wohl meist Originale
waren. Allerdings wurde im Kappa-Laden eine „Dentschland-Tasche" verkauft.
Hm – vielleicht hat sich da ein Fake in den Laden verirrt? Auf jeden Fall gab
es auch riesige Ramschhalden-Kaufhäuser bei denen nicht so ganz ersichtlich
war, ob das Produkt nun original oder kopiert war. Ich hatte den Eindruck, dass
die westlichen Touristen eher in den Fake-Läden einkauften und die Chinese in
den Markengeschäften – verkehrte Welt oder die Zukunft der Welt? Bei all den
wohlhabenden Chinesen, die es sicherlich mittlerweile gibt, frage ich mich, wie
die 900 Millionen Bauern, die es in diesem Land gibt und die vielen
Wanderarbeiter mit diesem Wandel klarkommen. Rentner bekommen ca. 60 Euro im
Monat und die Lebenshaltungskosten sind nicht wesentlich niedriger als bei uns.
Außerdem hat China eindeutig ein Problem mit der freien Meinungsäußerung.
Internet Cafés gibt es in Beijing etwa so oft, wie bei uns chinesische Tempel.
Die E-Mails werden in der Regel mitgelesen und dass die Menschen vor der
Polizei mehr als Respekt haben, zeigte sich bei den Straßenhändlern, die bei
der geringsten Chance, dass ein Ordnungshüter sich zeigen könnte, ihre sieben
Sachen packten und abhauten.
Fremden
gegenüber traten die Staatsvertreter sehr verständnisvoll auf und es durfte
alles photographiert werden. Außerdem war Pragmatismus angesagt. Wer schon mal
auf die Mauer klettert, der soll doch bitte auch seinen Spaß haben. Anders als
die Amis, die ja nicht gerade sehr viel Kulturschätze (mehr) haben und daher
Vergnügungsparks en masse einfach so errichten, wird hier halt dem
Mauerbeschauer die Möglichkeit geboten auf einer Sommerrodelbahn wieder ins Tal
zu düsen – was natürlich ein Riesenspaß war und den geschäftstüchtigen Chinesen
noch ein paar Yuan mehr einbrachte.
Wer China im
Wandel erleben will, sollte es sich nicht entgehen, dieses Land zu bereisen. Es
gibt kein Gut und kein Schlecht – nur ein großes Staunen und manchmal auch ein
großes Verwundern, wenn die Frau den Mann, der gerade Seifenblasen in die Luft
lässt vor irgendeinem Motiv hundertmal mit der Digitalkamera ablichtet. Andere
Länder andere Sitten und Euch eine schöne Woche!
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