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Mainz – Deutschland, 22. Februar 2002
Olá de Madeira!
Nein, nein ich bin nicht an der Meenzer Fassenacht in eine
Flasche Madeira geplumpst, und gebe erst jetzt wieder ein
Lebenszeichen von mir. Da aber diese fünf Tage in meiner
geliebten Heimat doch äußerst anstrengend waren, und zudem
mein Studium nun hoffentlich der Vergangenheit angehört, musste
es jetzt endlich wieder rausgehen, aus dem allseits geliebten
deutschen Nebelregensturmwetter, auf eine kleine Insel im Atlantik,
die dem berühmten Wein seinen Namen gab.
Da das närrische Treiben natürlich auch meine grauen Zellen arg in
Mitleidenschaft gezogen hat, war ich natürlich dankbar, an diesem
Fleckchen Erde, rund 700 km südwestlich von Portugal gelegen,
mit unserer neuen Währung zahlen zu dürfen, und damit jegliche
Umrechnungsanstrengungen meinen Denkapparat zu ersparen. Die
portugiesischen Euromünzen haben übrigens alle das selbe Motiv
aus nicht näher identifizierbaren Zeichen.
Beim Anflug auf diese, aus einem Unterwasservulkan entstandenen
Insel, wird sofort klar, dass Ebenen hier ein Fremdwort sind.
Dementsprechend ist der Flughafen auf Stelzen ins Meer gebaut
worden, und die Berghänge sind mit Scheinwerfen und Blitzlichtern
ausgestattet: Ein kleines Abweichen von der unmittelbar vor der
Landung zu fliegenden Kurve hätte fatale Folgen. Da die Startbahn
etwa halb so kurz ist, wie die in Frankfurt muss sofort nach "Touch
Down" die Schüssel eine Vollbremsung hinlegen, um nicht auf
direkten Wege in die Brandung oder auf den schwarzen Lava-Strand
zu rutschen. Das Anlegen von Sicherheitsgurten ist bei dieser Art
von Landung ein äußerst nützlicher Ratschlag.
Die Hauptstadt Funchal (von portugiesisch Wort für Fenchel) erinnert
wegen der fehlenden Ebenen stark an ein riesiges Amphitheater,
das von der Meereshöhe bis auf ca. 1.200 m empor ragt. Die
anderen Dörfer der Insel sind wie mit Pattex irgendwie in die steilen
Hängen geklebt. Jedes Dorf ist durch eine Straße mit der
Außenwelt verbunden. Dadurch erinnern die Straßen, die sich
kreuz und quer durch die Hänge mit Haarnadelkurven und nicht
enden wollenden Serpentinen an Buchten und Schluchten entlang
schlängeln, an einen Haufen Spaghetti.
Die höchsten Berge dieser sogenannten Blumeninsel erreichen rund
1.800 m, aber die Gipfel liegen praktisch die ganze Zeit unter einer
dichten Wolkendecke. Trotz der relativ südlichen Lage (selber
Breitengrad wie Ägypten oder Marokko), wird es hier nie wärmer als
25°C, und mit Regen hauptsächlich auf der Nordwestseite ist ständig
zu rechnen.
Dadurch sticht die Farbe grün überall hervor: Oben in
den Bergen existiert ein Nebelwald, in dem die Bäume mit
Flechten überzogen sind. Weiter unten blühen das ganze Jahr über
Blumen auf Wiesen, die man hier nur als Einzelexemplare für ein
paar Euro beim Floristen bekommt (Callas, Strelizien, Orchideen
etc.). Aber auch Früchte, die selbst ich noch nie vorher gesehen
habe (Englische Tomate, Chirimoya etc.), gedeihen das ganze
Jahr. Allerdings muss man als Landwirt auf Madeira doch relativ
schwindelfrei sein. Die Äcker sind zwar alle in Terrassenform
angelegt, doch meist im Steigungswinkel von mindestens 45°! Seil und
Gurt wären sicherlich beim Bestellen mancher Äcker echt
angebracht.
Obwohl die Insel nur 57 km lang ist, herrscht in den
verschiedenen Teilen jeweils ein anderes Mikroklima. Im
Nordwesten regnet es täglich, während hinter den Bergen im
Süden es oft trocken ist. Da die Hauptorte mit den Feldern im
Süden liegen, bauten die Bewohner Madeiras vor hunderten von
Jahren sog. Levadas. Das sind Bewässerungskanäle, die um die
ganze Insel herum angelegt wurden, um das Wasser aus dem
Quellen- und Wasserfallreichen Nordwesten, in den trockenen
Südosten zu leiten. Noch heute werden die Levadas von sog.
Levadores von Gestrüpp gereinigt und repariert. Dazu wurde neben
der eigentlichen Levada ein kleiner Trampelpfad angelegt, der für
den Traveller aus Deutschland natürlich als perfekter Wanderweg
umfunktioniert wird. An den Levadas lässt sich wunderbar und ohne
große Mühe stundenlang auf gleicher Höhe um die Insel
herumwandern, Schwindelfreiheit vorausgesetzt.
Oft kommt man
hier zu Fuß eh schneller voran als mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Denn die Busse keuchen bergauf bergab von Dorf zu Dorf und
erreichen Höchstgeschwindigkeiten von 30km/h. Dazu existieren
alle 200 m Haltestellen und zwischendrin wird man natürlich auch
aufgegabelt. Für die 60 km Fahrt in den äußersten Westen der Insel
brauchte das alte Ungetüm dreieinhalb Stunden - von Frankfurt
nach Lissabon brauchte die gute Lufthansa 2 Stunden und 40
Minuten. Aber das Bus fahren hat den Vorteil, dass man mal
kurz Aussteigen kann, um ein Schwätzchen zu halten: Viele der
Dörfer sind nur durch Stichstraßen zu erreichen. Dadurch zuckelt
der Bus erstmal durch das ganze Kaff nach oben (oder unten), um dann
am Straßen-Ende Wenden in 30 Zügen zu üben, ehe es dann in
umgekehrter Richtung wieder zurück zur Hauptstraße geht. Die
geschwätzigen Passagiere steigen einfach an der Hauptstraße
vorher aus, halten ihren Plausch und nachdem die Neuigkeiten
ausgetauscht wurden, steigen sie wieder in den Bus ein, um im
nächsten Dorf diesen Vorgang zu wiederholen.
Leider heißt es nun auch für mich: Adeus Madeira - Willkommen
Mainz und der Alltag hat mich bald wieder. Doch die nächste Reise steht
hoffentlich schon bald wieder vor der Tür!
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