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Bastia – Frankreich, 18. Oktober 2001
Salut mes amis autour du monde!
Leider kann ich von meiner jüngsten Tour, die ich mit Hanni
unternahm erst im Nachhinein berichten, da es glücklicherweise
noch Flecken auf unserem Planeten gibt, an denen es kein Internet
etc. gibt. Dieses Mal hat es uns auf die "Isle de beauté"
verschlagen, besser bekannt unter dem Namen Korsika. Dass
Korsika diesen Beinamen zu Recht verdient, versuche ich Euch
kurz zu beschreiben.
Die Insel, die grob zwischen Nizza und Sardinien liegt, ist die
geographisch diversifizierteste Insel des Mittelmeers
(Schwemmland an der Ostküste, Hochgebirge im Zentrum,
1.000 km Küstenlinie mit Buchten und Stränden, Wüste im
Nordwesten). Von Nord nach Süd teilt ein Höhenrücken die Insel in
zwei Teile "Pumonte" (das Land diesseits der Berge) und
"Cismonte" (das Land jenseits der Berge). An diesen Begriffen
merkt man schon, dass die korsische Sprache mit dem
Französischen nichts gemein hat. Überhaupt haben die Korsen mit
dem französichen "Kontinent", wie sie sagen, nicht viel am Hut. Ähnlich
wie im Baskenland gibt es eine Separatistenbewegung, die
glücklicherweise nicht ganz so brutal ihre Ziele verfolgt wie die ETA
in Spanien. Erreicht haben die Aktivisten des sog. FLNC allerdings,
dass Korsisch als Amtssprache anerkannt wird. Die Ortsschilder
sind nun theoretisch überall zweisprachig. In der Realität ist aber
der französische Name übersprayt. Während unseres Aufenthalts haben
wir auch keine "Trikolore" Fahne wehen sehen.Trotz dieser etwas
beunruhigenden Situation, haben wir uns auf Korsika nie bedroht
gefühlt, auch nicht wenn wir auf französisch mit den Einheimischen
kommuniziert haben. Manchmal ist der deutsche Akzent
anscheinend doch hilfreich.
Angekommen sind wir in Ajaccio (korsisch Aiacciu) dem Geburtsort
Napoleons! Mit einer Bimmelbahn, die sicherlich 2 Generationen
vor dem TGV in Betrieb genommen wurde, ging es dann 900 m
nach "oben" über Brücken und durch Tunnels in die korsischen
Berge. Das Zugticket wurde natürlich nicht von der SNCF sondern
von den "Chemin de Fer de Corse" ausgestellt. Ziel der Fahrt war
der Weiler Vizzavona, das eigentlich nur aus der Bahnstation
besteht.
Von Vizzavona ging es mit voll gepackten Rucksäcken (insgesamt
17kg Essen!) auf den sogenannten "GR20 Sud". Dieser Fernwanderweg war
von nun an unsere "Heimat" für die nächsten 6 Tage außerhalb jeglicher
Zivilisation. Zwei Merkmale prägen den GR20: Entweder geht es
auf äußerst steinigen Terrain steil bergauf oder bergab, denn die
meiste Zeit verläuft der Weg auf dem Grat der höchsten Berge
Korsikas entlang. Zunächst führte der Pfad noch durch Laubwälder, die an
diesen wunderschönen sonnigen Herbsttagen natürlich traumhaft
aussahen. Nachdem wir die Baumgrenze bei etwa 1.750 m erreicht
hatten, kämpften wir uns die meiste Zeit durch Geröll bergauf und
bergab. Die Blicke von den Bergen waren wirklich beeindruckend,
da ich bisher meist in den Alpen mit dem Rucksack unterwegs
war. Dort sieht man von den Bergen halt auf andere Berge herauf
bzw. herab. Auf dem GR20 kann man meist das Meer irgendwo am
Horizont erkennen und rund 2.000 m in die Tiefe schauen. Oft
sahen wir auf einen Blick im Osten das Thyrenische Meer mit den
Inseln Elba und Monte Christo und im Westen das Mittelmeer.
Dank des PNRC (Parc Naturel Régional de la Corse) stehen im
Abstand einer Tagesetappe immer wieder urgemütliche Hütten in
der Landschaft herum, die im Oktober zwar nicht mehr
bewirtschaftet sind, aber für Wanderer zur Selbstversorgung
offen gelassen werden. Hier, außerhalb der Zivilisation, hat man
"endlich" mal wieder mit wirklich wichtigen Alltagsproblemen zu
kämpfen: Feuerholz organisieren ohne Axt und Säge,
Feuermachen im Ofen, da die Gasflaschen in der Hütte schon leer
waren, Wasserkalkulation bei versiegenden Quellen: 1 Tropfen pro
Sekunde kommt aus der Quelle, wobei 10 Tropfen einen Milliliter
ergeben; wann ist der 2 Liter fassende Topf voll?.
Den wenigen Menschen, denen wir in den 6 Tour-Tagen begegnet
sind, waren angenehme Zeitgenossen, die uns zum Pastis-Trinken
einluden (Anisschnaps), doch glaubt es oder auch nicht, wir
blieben auf der Tour trocken, wie die vielen Quellen, die sich im
Dauerstreik befanden und kein Wasser mehr ausspuckten! Der
akute Wassermangel war letztendlich auch das einzige Problem
auf der gesamten Tour. Chefkoch Hanni hatte kulinarische
Experimente der besonderen Art auf Lager: Das 99 Pfennig. Aldi
Vollkornbrot hält sich aus Erfahrung nur ein bis zwei Tage, ehe es
in den totalen Zerkrümelungszustand übergeht. Deshalb backte
Hanni jeden Abend leckeres Vollkorn-Kümmel-Speck-Zwiebel-
Knoblauch-Fladenbrot für den folgenden Tag. Selbst die Baguette
verwöhnten Korsen und Franzosen waren von dieser Qualität
begeistert, so dass sie uns zum oben erwähnten Pastis einluden.
Was den Alk anbetrifft, haben wir natürlich am Tourende dann den
guten korsischen Wein probiert, der hier übrigens in Fässern aus
Kastanienholz reift. Von den Schafen, die ähnlich wie auf den
Färöer-Inseln das Landschaftsbild normalerweise prägen, war nichts
mehr zu sehen, denn den Winter über weiden die Schafe in den
Niederungen der Insel, da es im Hochgebirge bitterkalt werden
kann. Anhand der Skilifte, die wir sahen, gibt es anscheinend auf
Korsika sogar genug Schnee, um Wintersport zu betreiben.
Allerdings bekamen wir andere Bewohner Korsikas zu sehen:
Wildschweine gibt es zu Hauff, obwohl auch ein "Asterix auf
Korsika" existiert, Salamander, eine Gottesanbeterin, sowie
zahllose Eidechsen säumten unseren Weg.
Am Ende der Tour im Bavella Gebiet erreichten wir den
landschaftlichen Höhepunkt der Tour: Granitfelsen, ähnlich denen in
den Dolomiten, prägten zunehmend die Landschaft. Da die
Vegetation immer mehr zurückging, gleichzeitig der Fels rötlich
schimmerte, kamen wir uns wie in Arizona beim Marlboro Cowboy
vor. Dann ging es über einen Pass und schon befanden wir uns im
Nebelwald des Kilimandscharo: Durch den aufkommenden Herbstnebel
kamen wir uns im dichten Pinienwald wirklich vor, wie bei den
"Gorillas im Nebel". Am Ende der Tour erreichten wir endlich
ein typisches korsisches Dorf, nachdem wir viele Dörfer von "oben"
betrachten konnten, jedoch nie in eines gelangten, da der GR20 ja
meist auf dem Höhenrücken entlangführte.
Die meisten dieser
Dörfer liegen wie Vogelnester auf den vorgelagerten Hügeln. In den
Dörfern kann man noch für ein paar Francs seinen Pastis mit
Wasser schlürfen und dem Leben auf der Straße nachschauen.
Stress scheint es hier wirklich nicht zu geben.
Wenn Ihr also mal Lust auf einen unstressigen Trip mit
wunderschöner Natur, gutem Essen und Trinken habt, fahrt auf
die "Isle de beauté"!!!
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