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Mainz, 8. Januar 2011
Sua s’dei…
… ist Khmer und heißt so viel wie „Hallo“.
Nach dem wir um Weihnachten herum vom Weihnachtsmann mit allzu viel Schnee bedacht worden sind, machten wir es den Mainz 05 Spielern gleich und flogen in den Süden – allerdings in die andere Richtung. Statt Barcelona hieß unser Ziel Bangkok und statt am Camp Nou zu trainieren, gingen wir in Kambodscha auf Tour.
Um ein Haar wäre unsere Reise allerdings so geendet, wie die der unzähligen Gestrandeten an Europas Flughäfen, nämlich direkt vor der eigenen Haustür. Wozu Wetterprognosen existieren, wissen sicherlich nur die Betreiber der Webseite des Deutschen Wetterdienstes im drittklassigen Offenbach. War für den 2. Weihnachtsfeiertag eigentlich trocken-kaltes Winterwetter vorhergesagt, schneite es sich kurz vor dem Start unserer Maschine in Frankfurt so richtig wieder ein. Enteisung war daher angesagt – und das kann in Frankfurt zur Geduldsprobe werden. Zunächst rollte die vereiste Maschine ein wenig Richtung Startbahn West umrundete ein paar Vorfeldgebäude und sammelte wie im Flug unzählige Minuten Verspätung – um schließlich auf einer Vorfeldposition von einem „Elefanten“ doch noch von Schnee und Eis befreit zu werden. Allerdings blieb der Schnee, der mittlerweile heftig von oben kam, auf dem gefrorenen Boden liegen und von einer Fahrbahnmarkierung war im Weiß schon lange nichts mehr zu sehen. Was bringt eigentlich ein enteistes Flugzeug, wenn die Startbahn mit Schnee bedeckt ist? Vielleicht war es einfach Glück, auf jeden Fall sind wir mit knapp einer Stunde Verspätung dann doch noch dem deutschen Winter entflogen und in Thailands Hauptstadt Bangkok gelandet.
Ziel unserer Reise: Kambodscha
Asiatische Städte ändern ihr Aussehen etwa so schnell wie die Trainergesichter des VfB Stuttgart – wobei Stuttgart ein gutes Stichwort in Bezug auf Bangkok ist. Dort wird einfach mal ruckzuck ein Bahnprojekt durchgezogen – allerdings wurde die Schnellbahn, die die Stadt mit dem relativ neuen Flughafen verbindet auch oben gebaut und nicht in die Erde verlegt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, vor gerade mal ein paar Jahren in Bangkok mit dem Rumpelbummelzug vom alten Flughafen in die Stadt zu tuckern – jetzt gleitet der Zug wie von Geisterhand auf Stelzen, dem Transrapid ähnlich, in die Stadt der Engel, in dies es uns nur zog, um möglichst schnell gen Osten aus ihr wieder heraus zu kommen. Schließlich wollten wir in den nächsten Tagen mit dem Rad die alten Khmer-Tempel von Angkor Wat erkunden.
Also ging es in eine von mehreren riesigen Busstationen, die um Bangkok herum verteilt sind. Innerhalb der Stadt geht auch ohne Fernbusse oftmals gar nichts. Dauerstau ist in Thailands Hauptstadt Programm und selbst das Hinauskommen mit dem Bus vom Stadtrand der Metropole aufs flache Land dauerte fast eine Stunde, denn auch im Großraum Bangkok besitzen mittlerweile viel zu viele Menschen viel zu viele Autos. Fuhren in den asiatischen Nachbarländern Thailands vor zehn Jahren die meisten Menschen noch mit dem Rad ist das Moped mittlerweile bereits in Vietnam und Kambodscha der fahrbare Untersatz der Mittel- und Unterschicht. Wenn dann vielleicht bereits in wenigen Jahren auch dort die Einwohner auf das vierrädrige Gefährt umsteigen, befinden sich auch dort ganze Ballungszentren im Dauerstau. An Umwelt- und Gesundheitsschäden möchte ich und wahrscheinlich auch der jeweils betroffene Staat lieber nicht denken. Schließlich verspricht „Entwicklung“ Fortschritt und natürlich wäre es vermessen, wenn wir Europäer den Asiaten das Recht auf diese „Entwicklung“ absprechen würden…nur ist damit der Umwelt leider nicht geholfen – und den Lungen der Asiaten auch nicht.
Einer der Pluspunkte in Asien: leckeres Essen
Die Fahrt in die thailändische Grenzstadt Aranya Prathet war sehr unspektakulär. Das lag allerdings vielleicht auch daran, dass wir bereits seit fast 24 Stunden auf Reisen war und die Außenwelt nur noch schemenhaft wahrgenommen wurde! In der Stadt angekommen checkten wir in einem Motel ein. Motels kannte ich bisher nur aus den USA oder Australien, aber tatsächlich hätten wir mit unserem Auto bis knapp ans Doppelbett fahren können – nur ja keinen Schritt zu viel machen müssen, scheint auch in Thailand mittlerweile die Devise zu sein, erkennbar an überdurchschnittlich vielen Übergewichtigen Einwohnern, vor allem im Vergleich mit dem „rückständigen“ Kambodscha und seiner dünnen Khmer-Bevölkerung.
Aber natürlich gibt es auch Dinge, die in Thailand sich nicht verändern, das gute Essen beispielsweise, dass es an den Futterständen in der Straße für sehr wenige Euro-Cent praktisch rund um die Uhr gibt. Gut gestärkt begann dann für uns der Spießrutenlauf, um die drei Punkte auf unserer To-do-Liste abzuarbeiten: Ausreise aus Thailand, Visa-Beschaffung für Kambodscha und Einreise nach Kambodscha. Um diese Liste schnell und günstig abzuarbeiten, half uns der Lonely Planet. Man kann ja auf dieses Buch schimpfen wie man möchte – viele erfahrene Reisende tun dies mit einer gewissen Arroganz unerfahrenen Globetrottern gegenüber oft recht gerne – aber in diesem Fall fasste der Reiseführer alle Unwägbarkeiten beim Grenzübertritt nach „Scambodia“ perfekt zusammen. Dies fing mit unserer Tuk-Tuk-Fahrt im dreirädrigen Motorradtaxi an. Dieses fuhr nicht nonstop zum Grenzposten, sondern legte einen Zwischenstopp an einem angeblichen kambodschanischen Konsulat ein, bei dem es das Visum für Kambodscha geben sollte. Warum allerdings wenige hundert Meter vor der Grenze ein Konsulat existiert, wenn man das Visum auch an der Grenze bekommt, bleibt demjenigen, der das weiß, schleierhaft. Natürlich wiesen wir bei der Ankunft am Konsulat darauf hin, im Hinterkopf wussten wir bereits, dass uns geantwortet werden würde, dass es das Visum nur noch hier im Konsulat gäbe – natürlich für mehr als die üblichen 20 US$. Daher beharrten wir darauf, zur Grenze zu fahren. Im Konsulat hatte man nur noch das Totschlag-Argument, wir wären in diesem Fall nicht mehr „Welcome“ – wo eigentlich im Konsulat, wo wir eh nicht hinwollten oder gar in ganz Thailand? Keine Ahnung, denn unserem Tuk-Tuk-Fahrer schien die ganze Sache etwas peinlich zu sein. Vielleicht bekommt er eine Provision, wenn unbedarfte Reisende tatsächlich im Konsulat ihren Passierschein zu überhöhten Tarifen ordern. Oder vielleicht wird er gar gezwungen zu stoppen – auf jeden Fall fuhr er uns nach den „Not-Welcome“-Tiraden des Konsularbeamten ohne weiters Aufsehen zur Grenze.
Das Tuk-Tuk ist das Taxi Asiens
Dort angekommen trafen wir auf die Gattung „Zocker-Thai“. Da Glücksspiele in Thailand verboten sind, existieren im Niemandsland der thailändischen Anrainer Casinos en masse. Morgens um neun war die Schlange an emigrierenden Zocker-Thais bereits ellenlang, die Schlange bei den Ausländern glücklicherweise bedeutend kleiner. Die Ausreise aus Thailand verlief problemlos bis auf die Tatsache, dass wir uns ein zweites Mal anstellen mussten, da wir uns versehentlich bei „Tour Groups“ einfanden – nun ja wir waren ja zwei Personen und daher sicherlich eine „Tour Group“. Glauben wollten das die Thai-Bürokraten aber nicht, also hieß es halt nochmals anstellen, an der etwas längeren Schlange und zwar ganz hinten – reindrängeln wurde von der Beamtin am „Tour Group“ Schalter sofort mit bösen Gesten bestraft – unser Fehler halt. Vor uns in der Schlange stand ein nervöser Japaner und ein Deutscher, der nach Thailand ausgewandert ist. Der Deutsche versicherte dem Japaner, er hätte sein Visum vorher im Konsulat geholt, wir versicherten dem Japaner, dass er sein Visum in Kambodscha bei der Einreise erhalten würde. So recht überzeugt war der Reisende aus Fernost nicht, aber schließlich blieb er vor uns in der Schlange und reiste ebenfalls aus.
Danach ging es per Pedes über den Müllgraben, der sicherlich mal der Grenzfluss zwischen Thailand und Kambodscha war und es hieß sich wieder vom Links- auf den Rechtsverkehr umzustellen, den französischen Kolonialherren sei Dank! Einen Meter in Kambodscha zurückgelegt, durften wir zunächst einen Wisch über unseren Gesundheitszustand ausfüllen. Seit SARS, der Schweine- und Vogelgrippe stehen die Asiaten voll und ganz auf das Ausfüllen von Gesundheitsformularen. Komischerweise füllten nur wir das Ding aus, gut die Zocker-Thais wollten ja eh nur an die Spieltische und nicht ins Land, aber unser Deutsch-Thai und der Japaner waren bereits entschwunden – und so ein Ausfüllen mit allem Drum und Dran dauert so seine fünf bis sechs Minuten. Der Gesundheitsbeamte war total glücklich, dass ich Verständnis für sein bürokratischen Krimskrams hatte und sprach ständig auf mich ein, dass so viele Fremde dafür so rein gar kein Verständnis hatten. Vielleicht war ich noch zu ausgeruht, um hier entnervt auf einen kleinen Khmer verbal draufzuhauen. Aber der Gute kann ja auch nichts für die Bürokratie, die in vielen Ländern außerhalb Europas so gehegt und gepflegt wird.
Wann erreichen wir endlich Angkor Wat?
Quer über die Straße zwischen Zocker-Thais und völlig überladenen Khmers, die alle Art von Waren zum Teil mit riesigen Handkarren hin und her beförderten, ging es nun zur Visa-Beschaffung ins Gebäude der Einwanderungsbehörde. Über dem Schalter hing ein großes Schild mit den unterschiedlichen Visa und Gebühren, auf dem eindeutig vermerkt wurde, dass das Touristen-Visum 20 US$ kostet. Im Lonely Planet stand, dass die Beamten oftmals 100 Thai Baht (ca. 2,50 €) zusätzlich verlangten. Vor dem Schalter saß ein ranghoher Beamter, las Zeitung, würdigte uns keines Blickes, reichte uns allerdings die Antragsformulare für das Visum aus. Diese füllten wir aus, kramten ein Passphoto aus unserem Gepäck und fügten die 20 US$ bei. Er nahm alles entgegen und murmelte etwas von den magischen 100 Thai Baht auf Englisch. In diesem Moment trat wie aus dem Nichts auch wieder unser Japaner auf die Bühne und bekräftigte, dass wir 100 Thai Baht zu zahlen hätten. Ich ignorierte den Einwand des Japaners und fragte höflich den Beamten, wofür ich den Betrag entrichten solle und ob ich dafür auch eine Quittung bekäme. Zum Glück verschwand der Japaner so schnell wie er aufgekreuzt war, denn er war vollkommen glücklich, da er natürlich sein Visum bekommen hatte. Zwischen dem Beamten und mir herrschte für einen kurzen Moment ein eisiges Schweigen, ehe der Beamte die Dokumente wortlos über den Schalter zu den rangniedrigeren Beamten reichte, damit diese uns das Visum ausstellen konnten.
Fünf Minuten später war unser Visum fertig und wir konnten wieder ein paar Meter zurücklegen – dieses Mal zum Einreisegebäude. Normalerweise treffen sich die Ausreisenden beim Einreisen ins Nachbarland wieder, nur nicht hier am Ende der Welt an der thailändisch-kambodschanischen Grenze. Sämtliche Thais blieben im Niemandsland und die Tour-Groups waren auch schon fort, nur der Deutsch-Thai, der damit vor uns und dem Japaner geprahlt hatte, angeblich bereits mehrmals aus Thailand ausgereist und wieder eingereist zu sein, um ein neues 30-Tage-Visum für Thailand zu ergattern trat plötzlich wieder auf die Bildfläche. Wo er die letzten 30 Minuten blieb, bleibt sein Geheimnis. Nun fragte er uns plötzlich, wo wir die Einreiseformulare her hätten. Diese bunkerte ein Offizieller in seinem Tisch und gab sie nur nach Nachfragen raus. Für jemand, der angeblich dieses Aus- und Einreisespiel bereits mehrmals gemacht hatte, wirkte unser Deutsch-Thai ziemlich konfus und unerfahren – egal er war glücklich, dass wir im geholfen haben und als sich rausstellte, dass er eigentlich aus Frankfurt sei, war ich ja schon wieder ein wenig pikiert, dass ich zu einem Hessen so nett war, und ihm bei seinem Visa-Run behilflich war, aber wir Meenzer sind halt nett zu allen – sogar zu Frankfurtern!
Das Formular ausgefüllt, einmal in die Digitalkamera gelächelt und dann bekamen wir unseren Einreisestempel und waren bereit für die nächste Aufgabe, die da hieß möglichst stressfrei aus der kambodschanischen Grenzstadt Poipet nach Siem Reap, die Stadt in der Nähe der Tempel von Angkor Wat zu gelangen.
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