Tangalle - Sri Lanka, 27. Februar 2018
„Vielleicht ist es nicht die
schlechteste Idee, nach Fastnacht mal auf eine Insel zu fahren, den
Kopf frei zu bekommen und aus der Ferne den Status Quo rund um
unseren geliebten Fußballsportverein zu analysieren. Allerdings wird
dies kein weiterer „Meilenstein“, der sich mit der sportlichen
Situation im Fußball in Liga 1 auseinander setzt. Schließlich weiß
ich ganz genau, wovon ich keine Ahnung habe. Und es gibt da Menschen
im Verein, die das sicher besser beurteilen können.
Niki Zimling nach dem Spiel in Regensburg
Was ich hoffe, beurteilen zu können,
ist die Situation neben dem Platz, in der wir uns aktuell befinden:
Wir, das bedeutet für mich Vereinsverantwortliche, Spieler, Fans.
Interessanterweise wird von Sandro oft die gute alte Zeit beschworen,
in der bei Mainz 05 alle zusammenhielten. Doch damals gab es noch
kein Internet aber bereits Leute, die alles besser wussten als
Trainer und Manager. Diese Leute gibt’s wohl, seitdem Fußball als
so attraktiv erscheint, dass dem Spiel passiv beigewohnt wird.
Matthias Sammer hat natürlich Recht, wenn er behauptet, Fußball gab
es vor den Fans. Allerdings sollte er überlegen, warum er soviel
Kohle in seiner Karriere gescheffelt hat. Fußball um des Fußball
willens funktioniert...in der Kreisliga. Ohne Zuschauer gibt’s
letztlich kein Geld zu verdienen. Er sollte vielleicht mal bei den
OlympionikInnen nachfragen, wie die sich zwischen den Spielen vier
Jahre lang finanziell durchschlagen und nun wieder bis Beijing 2022
medial in der Versenkung verschwinden.
Aber zurück zur angeblich guten alten
Zeit bei unserem Verein. Für Motzer und Meckerer war früher nur
Platz am Stammtisch und für diese Leute ist das WWW wahrlich ein
Geschenk des Himmels, wurde doch schließlich die ganz persönliche
Meinung durch einen Mausklick nun für die gesamte Netzgemeinde
weltweit lesbar - was vorher höchstens noch der Nachbartisch
mitbekommen hat.
Auch heute glaube ich, dass wir wie
anno dazumal alle ein Ziel haben: Den maximalen Erfolg unseres
Vereins. Ich glaube nicht, dass es eine Gruppe im Umfeld des Vereins
gibt, die bewusst quertreiben möchte. Das ist für mich schon ein
starkes Pfund im Abstiegskampf. Hier trifft niemand kühne
Entscheidungen im Alleingang. Auch muss einem Kind kein Spielzeug
weggenommen werden. Aber es gibt seit den Tagen als die alten Helden
Jürgen und Don das Schiff Mainz 05 verlassen haben einfach ein
Vakuum, das bisher nicht gefüllt wurde. Es handelt sich dabei genau
um das, was Sandro mit „früher“ bezeichnet. Früher wurde sich
zusammengesetzt, disputiert und eine Lösung gefunden. Das
funktionierte oft am Zaun von Lübeck, Kiel und Medias, gefühlt
hundert Mal in Fürth und vielleicht auch in Velbert aber sicher
hinter den Kulissen, weil sich die Protagonisten auch lange genug
kannten, um tiefer liegende Ursachen für Missstimmungen anzugehen.
Dieses Vakuum müsste halt jemand füllen, der auf der Trainerbank
während der Spiele Platz nimmt und direkt „eingreifen“ kann,
also Kuhni, Sandro oder Rouven. Das funktioniert aber natürlich
nicht von jetzt auf gleich und wenn man sich dazu nicht in der Lage
fühlt oder sieht, dann klappt das halt nicht so wie früher. Wäre
zwar kacke, ist dann aber halt so. Aber das ist meiner Meinung nach
die sooft beschworene 05-Identität.
Seit geraumer Zeit habe ich aber
ohnehin schon ein ganz klein wenig das Gefühl, dass man als aktiver
05-Fan oft nur lästiges Beiwerk beim Geschäft Profifußball ist. Es
kommt jetzt allerdings keine DFB-Schelte, denn die großen Probleme
sind ohnehin bekannt.Es sind die kleinen Mainz-bezogenen Dinge, die
mich da nachdenklich stimmen. Dass z.B. die Mannschaft in Hoffenheim
nicht zum Zaun kam, ist für mich ein Déjà vu, fuhr ich doch in
Liga 3 häufig auch mal auswärts - zuletzt im April 2017 nach
Regensburg, dienstags abends zur U23. Insgesamt hatten sich rund 10
05er aufgemacht, die Jungs im Abstiegskampf zu unterstützen. Wir
waren als Gästefans eindeutig erkennbar und die Jungs machten sich
auch vor uns warm. Nach dem verlorenen Spiel kam genau eine Person
zum Block: Niki Zimling - der Rest der jungen 05er machte sich
frustriert mitsamt dem Trainer-Team ab in die Kabine. Nein, man muss
nicht zu den Gästefans gehen, da hat Philipp Köster von „11
Freunde“ Recht (allerdings hat er von unserer Situation leider
wenig Ahnung).
Aber es ist halt schon ein Statement,
das man abgibt: Uns sind die mitgereisten Fans egal. Oder wird man
als Fan erst wahrgenommen, wenn man in der großen Masse auftritt?
Denn hier zählt das Argument des Schmähgesangs nicht. Natürlich
kann man mit 10 Leuten keinen Mega-Support leisten, aber angeblich
bekommen das die Spieler ja eh während des Spiels nicht mit. Also
frage ich mich schon, warum die höchste Ausbildungsmannschaft der
05er einfach nach dem Spiel abhaut. Den Jungs wird doch neben dem
Fußball so viel vermittelt. Das wäre für mich ein Ansatzpunkt für
die 05-Identität: Geht nicht nur zusammen in der Halbzeitpause vom
Platz, sondern nachkicks im wahrsten Sinne des Wortes auf die Fans zu
- egal ob es 5, 50, 500 oder 5.000 sind. Wollen die euch nur
beleidigen, dreht einfach ab - das habe ich im Stadion am
Europakreisel in sportlich besseren Zeiten öfters beim Gästeteam
beobachtet - denn Beleidigungen braucht wirklich niemand und sie
motivieren Spieler bestimmt nicht. Aber partout keinen Schritt in
Richtung eigener Fans zu machen, ist und bleibt eine nicht hilfreiche
Aktion, wenn es eh an allen Ecken und Enden brennt. Das wirkt dann
wie ein Brandbeschleuniger.
Zurück zu Niki Zimling. Der alte
Leader wusste was sich in Regensburg gehört, dabei war er es, der
schon vor weit mehr als 10 Fans auswärts gespielt hat - anders als
seine jungen Mitspieler. Und da sind wir beim nächsten Punkt, den
Spielern selbst. Früher bei Sandro war die Verweildauer der Spieler
bei Mainz 05 wesentlich länger als heute. Junge, talentierte Spieler
zu holen, aufzubauen und teuer zu verkaufen, ist für unseren Verein
eine gute Idee für das Haifischbecken Bundesliga mit dem
Kollateralschaden, dass diese Jungs keine Bindung zum Verein und
keinen Bezug zur Stadt aufbauen. Auch hier ist der Verein gefordert,
die Jungs in die lokale Kultur einzuführen. Selbst die großen
Bayern zwängen Weltstars zum Oktoberfest in die Lederhose. Da sollte
es doch möglich sein, den Spielern etwas über die politisch,
literarische Fastnacht beizubringen, die eine gewisse Selbstironie
mit einschließt. Dann hätten die verantwortlichen 05er in
Hoffenheim vielleicht verstanden, dass der Block, der halt einen an
der Waffel hat, das nicht bierernst gemeint hat. Oder definiert man
im Verein Fastnacht nur mit einem verkleideten Bajazz?
Und wir Fans? Was haben wir verbockt?
In Hoffenheim sicherlich nach dem zweiten Tor von Emil nicht nochmal
richtig Gas zu geben. Aber Fans sind halt auch nur Menschen, die
nicht auf Knopfdruck supporten. Und jeder hat das Recht, zu supporten
oder es sein zu lassen oder auch so zu supporten, wie es einem
gefällt, so lange es keine Beschimpfungen sind. Ich habe natürlich
leicht reden, hocke ich ja gerade fernab auf einer Insel, aber
dennoch hoffe ich für Samstag auf eine große Unterstützung der
Mannschaft in Hamburg und hoffe ferner, dass diejenigen, die sich
seit geraumer Zeit missverstanden oder nicht ernst genommen fühlen,
differenzieren zwischen der aktuellen sportlichen Lage unseres
Vereins und der von ihnen so wahrgenommenen Situation, die es
mittelfristig mit den Vereinsvertretern zu lösen gilt.
Denn wir alle sind gerade in der
glücklichen Lage, einen neuen, unverbrauchten Präsidenten, einen
allseits anerkannten, gewählten Fanvertreter im Aufsichtsrat, eine
handlungsfähige Fanabteilung, einen kompletten Vorstand und rührige
Supporters zu haben, die sich hoffentlich alle auf Augenhöhe
begegnen und die Gräben zuschütten, die mit der Zeit entstanden
sind.
Rot-Weiße Grüße
Christoph, Meenzer-on-Tour
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