Mainz, 19. September 2016
Hallo aus Mainz,
die noch recht junge Saison bietet für
schon wieder ziemlich viel Gesprächsstoff. War es anfangs
hauptsächlich noch das Reinkommen nach Aserbaidschan, erregten
spätestens beim Heimspieldebüt am letzten Sonntag die Spruchbänder
in Richtung Gästeblock auf der Rheinhessen-Tribüne die Gemüter.
Dass das beim anstehenden Auswärtsspiel
noch getoppt wird, war bei der Abfahrt in Mainz-Hauptbahnhof noch
nicht zu erahnen. Schließlich zeigte zunächst ein lieber Bekannter
von Auswärtsfahrten wieder einmal, dass er immer für eine oder zwei
oder drei Überraschungen gut ist: Die Deutsche Bahn AG!
Schon früh, sprich fast 2 Stunden vor
der Abfahrt, kündigte diese eine Verspätung von 25 Minuten für den
EC in Richtung Augsburg an. Dabei war der EC gerade dabei, das
Ruhrgebiet pünktlich Richtung Mittelrheintal zu verlassen. Es gab
Bauarbeiten an der Strecke kurz vor Mainz. Daher entschied ich mich,
lieber am Hauptbahnhof zu warten, als einen Bus später zu nehmen. Ab
in den Starbuck's und einen Kaffee in der Tasse bestellt. Sollte ja
bei der Verspätung möglich sein, mal auf den Pappbecher to go zu
verzichten.
Der Vorteil der Lage des Starbuck's in
Mainz-Hauptbahnhof besteht darin, permanent einen Blick auf die
Anzeigetafel der Deutschen Bahn zu haben und plötzlich war die
angegebene Verspätung verschwunden. Es war 1 Minute vor der
planmäßigen Abfahrt und nun galt es in einem kurzen Sprint mal am
Bahnsteig die Lage zu checken. Und in der Tat kam da der EC um die
Ecke gefahren!
Der Zug war gut besetzt und mitfahrende
Passagiere fragten die Zugbegleiterin, ob es noch freie Plätze gäbe.
Sie entgegnete, da wir jetzt planmäßig sind, sicherlich. Ferner
erklärte Sie entwaffnend, dass der Lokführer es Quatsch fände
schon pro forma eine Verspätung anzugeben, da man durch die
Baustelle ja womöglich problemlos durchkäme.
Neben mir saß eine Frau, die den
Fehler bei Starbuck's nicht gemacht hatte und hier genüsslich ihren
Kaffee im Pappbecher trank. Ich teilte ihr mein „Schicksal“ mit
der halb vollen Kaffeetasse mit, was wiederum die Schaffnerin
mitbekam. Zwei Minuten später hielt ich einen Getränkegutschein der
Deutschen Bahn in der Hand und weitere drei Minuten später war
dieser gegen einen Kaffee im Pappbecher schon eingetauscht. Bis
Stuttgart verlief die Fahrt dann recht ereignislos, ehe dort ein
Wagen der 1. Klasse seinen Dienst versagte und somit dann doch die 25
Minuten Verspätung auch noch ihre Gültigkeit erlangte.
Aber im Ländle kann man ja bekanntlich
alles außer Hochdeutsch, so dass man Reisenden, „die es eilig
hatten“, den gerade am Nachbargleis einfahrenden ICE Richtung
München als Alternative anbot, so dass ich nur mit ca. 20 Minuten
Verspätung in der Fuggerstadt ankam.
Das nächste Problem stand dann gleich
bei der Ankunft an, da man laut Aussage des FC Augsburg (FCA)
Gästefans keinerlei Möglichkeit zum Deponieren eines Rucksacks bot
– Rucksäcke aber im Gästeblock untersagt sind. Daher begab ich
mich mal wieder auf Schließfach-Lotterie. Zunächst hatte ich Pech,
da gleich mal die ganze unterirdische Schließfach-Anlage außer
Betrieb war. An Gleis 1 hatte ich nach einmal Probe beim Modell
„durchfallende Münze“ dann doch noch Glück und fand das letzte
Fach, in dem meine zwei Euro-Münze Platz fand.
Reiste ich bisher irgendwie in Augsburg
immer vom Süden an und bekam vom „Schwabenstadion“ immer nur den
direkten, kurzen Weg zum Gästeblock mit, nahm ich dieses Mal die
„Tram“, wie sie hier so schön heißt. Dies bot mir die
Gelegenheit, gleich mal mitzubekommen, wie für das Auswärtsspiel
des FCA bei den Dosen „geworben“ wurde; „Keine Sau...fährt
nach Leipzig“. Auch ein „Blumenbild“ gelang mir dieses Mal,
denn bisher empfand ich das Schwabenstadion als recht tristen grauen
Klotz. Natürlich darf man sich da als Mainzer nicht sehr weit aus
dem Fenster lehnen, wird doch auch dem Stadion am Europakreisel ein
„Bei der Geburt getrennt“ mit einem Möbelmarkt oft nahegelegt.
Am Gästeblock angekommen, die übliche
doppelt gastunfreundliche Behandlung in Form von ausschließlich
bargeldlosem Bezahlen für alkoholfreies Bier. Aber das ist man ja
bereits gewohnt und anders als ganz früh in Leverkusen vor ca. 5
oder 6 Jahren sowie letztes Saison in Köln, wird einem im Bierland
Bayern weiterhin die süßlich schmeckende 0,0%-Plörre serviert, die
wir ja bereits vom Europapokal zu Hause kennen.
Dann ab in den steilen Gästeblock, der
mir eigentlich immer gut gefällt. Kaum das erste Photo gemacht, zog
ein Großteil der Szene in den Sitzplatzbereich des Gästeblocks um –
Grund bis dato unbekannt. Dadurch dass dann der untere Teil des
Stehblocks unbesetzt war, der obere Teil des Sitzplatzbereichs leer
blieb und sich der Rest der Truppe im riesigen oberen Teil des
Stehplatzbereichs verlor wurde dann mehr oder weniger über Kreuz
supportet. Auswärtsfahrten bieten halt immer mal was neues – da
muss man noch nicht mal Bahn fahren.
Das Spiel an sich ist schnell erzählt.
Das 0:1 fällt schnell und es stellte sich nur die Frage, wieviele
weitere Tore wir noch vorlegen, ehe Augsburg dann mit dem
Toreschießen anfängt. Daher war ich fast „erleichtert“, dass
wir nichts mehr vorlegten, sondern Stafylidis ausglich. Als dann
unser Kopfballungeheuer Yunnus Malli nach einer Minute den alten
Abstand wieder herstellte, schauten wir uns alle etwas verdutzt im
Block an. Und dann staubte auch noch Muto ab.
Zwischen dem 0:1 und dem Ausgleich war
das Spielgeschehen aber zur Nebensache degradiert worden. Zum einen,
weil beide Fanszenen, die sich ja seit Jahren nicht gerade mit
gegenseitigen Sympathie-Bekundungen hervor taten, den FCA-Ultrà
Simon mit Wechselgesang und Spruchbändern eine weitere gute Genesung
wünschten. Wer mehr zu den Hintergründen erfahren möchte, kann
bspw. einen sehr lesenwerten Artikel der Augsburger Allgemeinen vom
29. Juni 2016 mal anklicken. Zum anderen nahmen beide Szenen ihren
Support nach der Pause erst in der 60. Minute wieder auf, da
zwischenzeitlich ein Fan im Gästeblock ärztlich versorgt werden
musste. Diese „Waffengleichheit“ zeichnete die FCA-Fans bereits
in der vergangenen Saison aus, in dem sie ggf. auf Fahnen und
Trommeln verzichtet hätten, wenn die Mitnahme uns Mainzern wegen
Vorfällen in der Vorsaison verwehrt worden wäre.
Hier könnte dann eigentlich der
Spielbericht enden, aber ein Spiel dauert ja bekanntlich bis der
Schiri abpfeift. Dass dann José Rodrígez in der 3. Minute der
Nachspielzeit beim Stand von 1:3 an der Mittelfeldlinie ein Tackling
versucht, klingt bei den genannten Fakten (Nachspielzeit, Mittelfeld,
1:3) erstmal total bescheuert. Aber es spielen halt immer noch keine
Maschinen Playstation sondern Menschen, die Fehler machen, Fußball
auf dem Platz. Sucht man im Internet nach „Augsburg Mainz“
ergänzt Google mittlerweile automatisch „Foul“, 364.000
Ergebnisse und die Zeitung mit den vier Großbuchstaben schreibt
„Raten Sie mal, wer der Treter ist!“.
Hoffentlich wird Dominik Kohr schnell
wieder gesund. Hoffentlich kommt er rasch wieder zu alter Stärke
zurück. Hoffentlich hilft er dem FCA bald wieder weiter. Er ist das
Opfer, Rodriguez der Täter.
Niemand, der sich halbwegs mit der
Szene auseinander gesetzt hat, unterstellt Rodriguez Absicht. Er hat
sein Tackling falsch gesetzt und damit einen Fehler gemacht. Für
diesen wurde er vom Schiedsrichter mit Rot bestraft. Er hat sich
dafür entschuldigt. Und Martin Schmidt meinte, dieser Vorfall wird
auch noch intern besprochen. Auch hier hätte der Spielbericht enden
können.
Dass man sich beim FCA über diese
Aktion aufregt, ist vollkommen verständlich. Dass die
„Sachwarmintelligenz“ ihr Urteil nach 0,3 Sekunden fällt, war
absehbar. Aber warum man direkt, ohne eine Nacht darüber zu
schlafen, den Spieler auch von unserer Seite so an den Pranger
stellt, verstehe ich nicht.
Warum kann man nicht einfach nur
Genesungswünsche an Dominik Kohr richten, tatsächlich hoffen (oder
wegen mir auch beten), dass es dem Spieler bald wieder besser geht
und sich einfach mal vor Rodriguez stellen und sich vielleicht mal
folgende Fragen stellen: War das Vorsatz? Nein. War das Revanche?
Nein. War es eine Tätlichkeit? Nein. Ist er Wiederholungstäter?
Nein. Dann bespricht man alles weitere mit dem Spieler, aber doch
bitte nicht mit den Medien.
Warum muss man in aller Öffentlichkeit
gleich verkünden, wenn man es eigentlich intern klären wollte, dass
hier eine interne Strafe folgt? Nein, es geht hier nicht um die
Hallen-Halma-Diskussion, sondern darum, seine Angestellten zu
schützen – auch die, die Fehler begangen haben und Täter sind. Zu
schützen vor einer Öffentlichkeit, die mittlerweile allzu gerne
Online-Tribunale abhält, anprangert und aburteilt, jemanden zum
Abschuss freigibt. Der Junge ist ein paar Wochen in Deutschland und
ist jetzt (erst einmal) „verbrannt“. Das Wort „geMAINZam“
gilt in diesem Fall leider nicht (mehr).
Hier geht es zu allen Bildern des Spiels.
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