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Port of Spain - Trinidad and Tobago, 30. Januar 2001
Liebe SonnenanbeterInnen!
Anscheinend lässt sich ja neuerdings auch mal wieder die liebe
Sonne bei Euch blicken. Das gönne ich Euch wirklich von
Herzen, da ich gerne alles teile. So würde ich auch gerne
meinen Sonnenbrand aus dem Überfluss an Sonnenstrahlen mit
Euch teilen. Wie Ihr seht, seid Ihr in gar keiner so misslichen Lage: Ihr
bekommt bestimmt keinen Sonnenbrand zur Zeit in Deutschland. Die
permanente Sonneneinstrahlung ist auf den häufigen Gebrauch von Booten
als Transportmittel zurückzuführen.
Von St. Vincent bin ich mit einem
Post-Fracht- Passagier-Boot durch die Grenadines von Inselchen zu
Inselchen getuckert. Manche Inselchen hatten keine Straßen geschweige
denn einen Hafen. Da musste die Fracht dann auf kleinere Boote umgeladen
und an Land transportiert werden. Das gestörte an den Grenadines
ist, dass auf der einen Insel überhaupt keine Infrastruktur vorzufinden
ist, die nächste aber eine Privatinsel von Mick Jagger und Co. mit
wahrscheinlich allem erdenklichen Luxus darstellt. Diese Insel wurde aber
natürlich von dem Boot nicht angefahren, da Mr. Jagger dort mit dem
Privatjet landen kann! Irgendwie sind diese Rockstars echt total
abgehoben, im wortwörtlichen Sinn!
Na ja, ich hatte bei der Ankunft auf der
südlichsten Insel der Grenadines andere Probleme. Ich wusste dank meines
ätzenden Reiseführers nicht, wie ich von dort wieder wegkomme, da die in
dem Buch angegebenen Flüge gar nicht existierten. Es gab zwar 2-mal die
Woche ein kleines Boot das nach Carriacou übersetzte, aber dummerweise
war es gerade am selben Morgen, an dem ich ankam, weggefahren. Also musste
ich mal wieder Riesenglück haben, indem die "No Problem"-Einheimischen
mir aus der Patsche halfen. Irgendjemand wusste, dass freitags irgendeine
andere Person meistens nach Carriacou mit dem Boot fährt, um Gasflaschen
aufzufüllen. Nun gut und da könnte ich doch sicher mitfahren. Schnell wurde
jemand losgeschickt, um den Kapitän ausfindig zu machen, und nach noch
nicht mal 10 Minuten kam die Person zurück und meinte ich sollte morgen
bei Sonnenaufgang im Nachbardorf am "Hafen" sein, und ich würde schon
mitkommen.
Gesagt getan... das frühe Aufstehen war ich mittlerweile
gewohnt, da die Menschen hier mit der Sonne so gegen halb sechs oder
sechs Uhr aufstehen und nach Sonnenuntergang nicht mehr sehr viel geht. Bei
Sonnenaufgang war ich an der Mole, wo zwei kleine hölzerne
Segelboote etwa so lang wie ein VW-Bus ankerten. Und tatsächlich kam auf
einmal ein alter Rastafarian mit grauen Rastahaaren und machte das
Segelboot klar Schiff. Zusammen luden wir Colakästen und Gasflaschen ein
und nachdem er mit dem zweiten Matrosen noch schnell etwas geraucht hatte,
wurde noch der Kapitän schnell aufgegabelt, und so reiste ich in
Richtung Grenada! Auf Union Island, der Insel von der ich abfuhr, sah es übrigens so aus wie früher in
Deutschland: Überall wimmelt es von GIs, unseren "Beschützern" aus dem Land der
unbegrenzten Möglichkeiten. Ihre Aufgabe ist es, den Drogenschmuggel von
Südamerika zu unterbinden. Dass sie damit nur mäßig Erfolg haben,
zeigten ja die beiden Matrosen meines Segelbootes!
Die Überfahrt auf dem
Segelboot verlief unspektakulär, nur die reichen Yachtbesitzer, die durch
die Karibik segelten, staunten ein bisschen, dass da ein Weißer auf dem
Holzschiffchen durch die Gegend segelte. In Carriacou angekommen, machte
ich dann das was hier die meisten Leute in der Karibik machen, und auch
von einigen von Euch mir empfohlen wurde: Liming d. h. nix tun, den
weißen Strand, den Schatten unter den Palmen, das türkisblaue Wasser und
den blauen Himmel mit der lächelnden Sonne genießen. Leider musste ich
schon am nächsten Tag Carriacou in Richtung Grenadas Hauptinsel mit dem
selben Namen verlassen, da ich ja irgendwann einmal nach Caracas kommen
muss, um irgendwann einmal wieder die Kohle zu verdienen, die mir hier wie
Eiswürfel weg schmilzt.
Grenada ist noch very British. Die Menschen sind
hier noch höflicher als auf anderen Inseln, man trinkt Tea und isst Pie.
Hier konnte ich nun das letzte Mal noch mal eine Tour durch den Urwald in
den Bergen unternehmen, da es tatsächlich Wanderwege mit Markierungen und
Schildern gibt, die noch dazu nicht abgeschlossen sind! Ein anderes Wort
für Urwald lautet Regenwald. Dies spürte ich auf diesem Hike besonders.
Schon nach wenigen Schritten befand ich mich nicht mehr auf einem Weg,
sondern ich kam mir vor, als ob ich auf einem Acker in Deutschland nach drei
Wochen Regen herumspaziere. Die Taktik, nicht in die Schlammlöcher zu
treten, hatten die Wanderer vor mir schon versucht und sind damit, den
Spuren nach zu urteilen, kläglich gescheitert, da alle Abdrücke in die
Löcher führten. Ich konnte mir vorstellen wie die Schuhe der Wanderer danach aussahen. Da
es nun noch anfing zu regnen, kam ich mir vor, wie in der Waschanlage, als
damals bei meinem ersten Auto der elektrischen Fensterheber nicht mehr funktionierte und
ich eine unfreiwillige Innenreinigung des Auto gratis dazu bekam.
Bald
darauf sah ich aus, als ob ich einen Kampf im Schlammcatchen verloren
hätte. Trotzdem war die Tour lustig, da in diesen Breiten bei Regen nicht
gleich auch die Temperatur fällt, und ich somit nur eine kostenlose
Schlammpackung erhielt und keine Erkältung. Dieses Wetter verstärkte
meinen Eindruck, das Grenada very British ist. Die Menschen hier sind, was
Weiße anbetrifft, anscheinend gespalten. Viele waren auch zu mir wieder
sehr nett, aber manche schimpften auch grundlos auf mich ein. (White
M.F.!) Dies liegt sicherlich noch an der Besetzung Grenadas 1983 durch die
USA, die hier z. B. wieder einmal statt des Militärforts ein Hospital
bombardierten, dessen Reste man heute noch "besichtigen" kann. Zum
Glück dauerte die Besatzungszeit nur ein paar Wochen und seit dem ist
hier wieder fast alles friedlich.
Gestern bin ich nun nach Trinidad und
Tobago geflogen. Da ich z. Zt. noch nicht weiß, wie meine Tour nun
weitergeht, da mein Boot nach Venezuela kaputt ist, habe ich gerade Zeit,
in der Hauptstadt Port of Spain (POS) Euch meine Geschichten zu erzählen.
In Trinidad gibt es praktisch gar keine Touristen, da dies eher ein
industrialisiertes Schwellenland mit reichen Ölvorkommen ist. Seit
mehr als 3 Wochen sehe ich das erste Mal Häuser, die höher sind als
Palmen, rieche Smog und treffe auf hektisch agierende Menschen. Trotzdem ist
die Stadt eine Reise wert, da hier außerhalb von Rio (und Mainz) der wohl
am heftigsten gefeierte Karneval (Fastnacht) gefeiert wird. Überall
proben die Steelbands in den Straßen ihren Auftritt für Ende Februar. Die
Steelbands sind Gruppen mit riesigen umgedrehten Ölfässern, die einen
superrhythmischen Sound produzieren, so dass man einfach abtanzen muss.
POS ist die 1. Stadt meiner Tour, wo man von Nightlife sprechen kann. Auf
den anderen Inseln war nach einem oder mehren Drinks an der Beach Bar
gegen acht Uhr abends Ende-Gelände-Aus-Die-Maus! Hier fing alles erst nach neun Uhr abends an.
Trinidad hat neben Fastnacht aber auch einen Artenreichtum an Fauna und
Flora, das die anderen Inseln nicht bieten können. Trinidad liegt nur
11km von Südamerika entfernt (und es gibt keine Möglichkeit per Schiff
dorthin zu gelangen!). In dieser Nähe ist diese Vielfalt begründet. Gestern Abend besuchte ich
die Mangrovensümpfe südlich von POS. Mit einem Boot tuckerten wir die
Kanäle entlang und genossen die Ruhe abseits des Chaos in POS. Die Bäume
über uns schlossen sich zu einem Geäst zusammen, so dass man wie durch
einen Tunnel fuhr. Und über uns saßen nicht nur Vögel, wie wir
plötzlich sahen. Sondern Wesen, die richtig Hunger auf diese Vögel
hatten: Mehrere Mangroven-Boas ruhten zusammengeringelt auf den Bäumen
und warteten ab, bis es die Dämmerung herein brach, um auf Nahrungssuche zu gehen. Deshalb
suchen auch die Vögel möglichst Inselchen auf, wo sie vor den Boas
sicher sind. Allerdings droht auch von unten Gefahr, als ich die
Alligatoren im Gebüsch sah!
Ein wunderschönes Schauspiel kann man an
einer bestimmten Insel dort beobachten. Kurz vor Sonnenuntergang kommen
hunderte von roten Ibisen auf eine Insel, um Schlafen zu gehen. Dabei wird
die vorher grüne Insel mehr und mehr rot gefärbt. Es war beeindruckend zu
sehen, wie diese Massenveranstaltung ohne jegliche Geräusche vor sich
ging. Den einzigen Krach machten die brabbelnden Einheimischen bei mir im
Boot. Der rote Ibis bekommt seine typische Färbung erst nach drei Jahren, da
er durch seinen Speiseplan (Krebse und Shrimps) so viel Karotin bekommt,
dass er sich rot färbt. Die jungen Vögel schlüpfen noch grauweiß. Auf der
Insel konnte man nun beobachten, dass in den Wipfeln alles grauweiß war und
unten alles rot. D. h. die Jungen wurden in die geschützten Flächen
gesetzt, die Alten drumherum. Ein tolles Sozialverhalten wie ich finde. So
jetzt muss ich mal meine Weiterfahrt organisieren.
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