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Aufhören wenn’s am schönsten ist

  

Mainz, 23. Mai  2017

„Merci Martin“ – der berechtigte Dank an unseren Ex-Trainer aus dem Wallis kommt in so ziemlich allen Fan-Kommentaren vor – verbunden mit dem wohl unerfüllbaren Wunsch, sich gebührend von ihm zu verabschieden.

So hart es klingt, und es war vielleicht vielen von uns Samstag vor 8 Tagen noch nicht klar, den Abschied haben wir alle gemeinsam gefeiert, nach dem Sieg gegen die Eintracht. Im gestellten Abschied nehmen war unser Verein meistens sowieso eher verkrampft und es kam vieles gekünstelt rüber. Die Klassenerhaltsfeier war wild und stürmisch – so wie die gesamte Erstligatrainerzeit von Martin Schmidt. Welcher unserer Trainerikonen erlebte zum Ende seiner Amtszeit einen Platzsturm (bzw. sogar zwei ;-)? Wenn Martin Schmidt etwas nicht war, dann gekünstelt. Ich habe ihn nie persönlich kennengelernt, aber auch ich finde ihn sehr sympathisch. Festmachen konnte ich das immer an den Pressekonferenzen nach dem Spiel, in denen er immer sehr respektvoll mit allen Beteiligten umging und viele menschliche Züge zeigte, für die in diesem Business aktuell wohl nur Christian Streich steht. Der Marketing-Fuzzi in mir müsste wohl von „authentisch“ sprechen…

Sind wir mal erhlich, der Abschied von Martin Schmidt lag ja schon länger in der Luft und nach dem Freiburg-Spiel hätten die Mechanismen der Branche eigentlich greifen „müssen“. Sie griffen aber nicht. Wieso? Weil wir Rouven Schröder haben! Isso – Punkt! Er hat allerdings auch damals nur bis zum Saisonende gedacht, was absolut richtig war. Was sprach eigentlich nach dem Ende dieser Spielzeit so richtig gegen eine Trennung? Richtig, der Vertrag! Dass Verträge in dieser Branche eigentlich nur dazu dienen, etwaige Ablösesummen in die Höhe zu treiben, wissen wir spätestens nach dem Abgang von Jules im letzten Jahr. Martin Schmidt hat hier 7 Jahre eine tolle Arbeit geleistet. Mein Faible für die Amas kennt Ihr ja bereits seit einiger Zeit, daher beziehe ich die Zeit bei der U23 bewusst mit ein – auch wenn es da am Ende auch nicht mehr so richtig rund lief. Gehen soll man bekanntlich wenn’s am schönsten ist. Und gibt es etwas schöneres als mit einem Sieg gegen die Jungs vom Nebenfluss zu starten, die beiden Fastnachtsspiele in Hannover und Leverkusen gewonnen zu haben, den Bayern im Schlauchboot 4 Punkte abgeluchst zu haben, mal schnell einen Dreier in Aserbaidschan eingepackt zu haben und praktisch mit einem Sieg gegen die launische Diva vom Main sein Engagement als Erstligatrainer zu beenden? Sicher nicht wirklich.

Da sich Martin Schmidt bisher zum Ende des gemeinsamen Wegs nicht geäußert hat, nehme ich mal stark an, dass das postulierte „wir gehen im Guten auseinander“ auch halbwegs von beiden Seiten unterschrieben werden kann. Und da erfüllt sich dann auch wieder der zweite große Wunsch in diesen Tagen: Der etwas andere Verein zu sein. Wie bereits geschrieben, griffen die Mechanismen in der Karwoche nach dem Freiburgspiel nicht. Und sich nach dem Saisonende in aller Ruhe zusammenzusetzen und festzustellen, dass es das Beste sei, zukünftig getrennte Wege zu gehen, ist komplett ungewöhnlich für diese hyperventilierende Branche. Anders als in Köln 2008, als Kloppo mit seiner bizarren Aufstellung sein Ende mehr oder weniger selbst einläutete, auch anders als Tuchel sein Ende einfach selbst forciert hatte, wurde hier in aller Ruhe analysiert und ein Schlussstrich zur richtigen Zeit gezogen. Während die beiden ersten Trainerikonen also ihr Schicksal mehr oder weniger selbst bestimmten und das unter unserem Managergott, wurde hier in aller Ruhe analysiert und gemeinsam ein Weg gefunden, das Gesicht zu wahren. Das ist meiner Meinung nach der zweite gelungene Schachzug von Rouven Schröder, nach dem Verkauf von Yunus in der Winterpause, denn der darf in dieser Woche erstmal versuchen, mit Gomez und Co. die Liga zu halten – womöglich gegen das Team eines möglichen Trainerkandidaten? Wer weiß?

Euer Christoph - Meenzer-on-Tour

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